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Archiv-Artikel

Rückzug auf Raten

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der Oberkommandierende der US-Streitkräfte im Irak, General George Casey, hat einen Plan zum drastischen Truppenabbau im Irak bis Ende 2007 vorgelegt. Eine erste Reduzierung könnte noch vor der Wahl zum US-Kongress, nämlich im September erfolgen, berichtete die New York Times am Sonntag unter Berufung auf ein vertrauliches Papier Caseys. Der habe in der vergangenen Woche bei einer geheimen Lagebesprechung im Pentagon den Abzug von fünf oder sechs der derzeit vierzehn Kampfbrigaden bis Ende 2007 angekündigt, schreibt die Zeitung.

Als Erste sollten bereits im September zwei Brigaden im Rahmen des routinemäßigen Truppenaustauschs abziehen, ohne ersetzt zu werden. Das entspräche einer Reduzierung der Zahl der US-amerikanischen Soldaten im Irak um etwa 7.000, da eine Kampfbrigade etwa 3.500 Soldaten zählt. Derzeit sind 127.000 US-Soldaten im Irak stationiert.

Unklar bleibt in dem Papier, wann wie viele Angehörige der anderen Truppenteile abgezogen werden, die die Mehrheit der im Zweistromland stationierten US-Soldaten stellen. Im republikanisch dominierten US-Senat war am Donnerstag ein Vorstoß gescheitert, unter anderen von dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, John Kerry, bereits bis Juli 2007 alle amerikanischen Soldaten aus dem Irak nach Hause zu holen. Nach den Einschätzungen von Mitarbeitern im Pentagon sieht der von General Casey vorgelegte Plan aber einen einschneidenderen Truppenabbau vor als ihn Experten erwartet haben.

Die US-Regierung hat den Abzug ihrer Truppen allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft, berichtete das Blatt unter Berufung auf Regierungsvertreter. Voraussetzung für den Abzug sei, dass sich die irakischen Sicherheitskräfte weiterentwickeln. Zudem müsse die Ablehnung der neuen Regierung unter Sunniten nachlassen und die derzeitige Rebellion in den sechs zentralen Provinzen des Irak dürfe sich nicht auf weitere Provinzen ausweiten. Der Oberkommandierende habe sich am Freitag mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und US-Präsident George W. Bush im Weißen Haus getroffen, um dem Präsidenten sein Konzept zum weiteren Vorgehen im Irak, das bislang kein formeller Plan ist, vorzustellen. „Die jüngsten Gespräche sind dazu geführt worden, um unser Denken im Einklang mit der neuen irakischen Regierung zu formulieren“, wird in dem Zeitungsbericht ein Mitarbeiter des Weißen Hauses zitiert. Das Vorgehen erlaube es Casey, mit der Regierung Maliki einen konkreten Plan zur Sicherheitspolitik für die kommenden zwei Jahre zu schmieden. Casey habe sich allerdings bislang noch nicht mit der irakischen Führung besprochen, hieß es.

Der Vorstoß Caseys gilt in Washington als vorsichtig abgestimmter Plan, um die Macht an die irakische Regierung zu übertragen. Die Bush-Regierung hatte stets betont, dass die Vereinigten Staaten sich aus dem Irak in dem Maße zurückziehen wolle, wie sich die irakischen Sicherheitskräfte entwickelten. Unter dieser Prämisse sei der Casey-Vorstoß mehr eine „Vorhersage“ über das, was in Anbetracht der gegenwärtigen Entwicklungen möglich sein könnte, als ein konkreter „Zeitplan“. Würde der Truppenabzug allerdings so ausgeführt, wie jetzt von Casey vorgeschlagen, käme eine erste Reduzierung vor den Kongresswahlen und ein weiterer, noch bedeutsamerer Abzug vor den US-Präsidentschaftswahlen 2008.

Casey Vorschlag sieht vor, dass nach dem Abzug aus dem Irak eine Kampfbrigade einsatzbereit in Kuwait stationiert wird, quasi als schnelle Eingreiftruppe. Ginge alles nach Plan, würde sich die Zahl der Militärbasen im Irak von heute 69 auf 11 im Dezember 2007 reduzieren. Die USA hätten dann nur noch drei regionale Hauptkommandos im Irak: in der Hauptstadt Bagdad, in der Provinz Anbar und im Nordirak.