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HEIKE HOLDINGHAUSEN ÜBER DIE CHEMIKALIE BISPHENOL AMangelhafte Risikoabschätzung

Die Vorstellung ist äußerst unappetitlich, zusammen mit einer würzigen Suppe eine dem weiblichen Hormon Östrogen ähnliche Chemikalie zu löffeln. Wir tun es aber, zwar nur milligrammweise, dafür aber ständig. Dosenbeschichtungen, Zahnfüllungen, Plastikgeschirr – wir sind umgeben von Bisphenol A (BPA), und niemand weiß, wie schädlich das Zeug wirklich ist. Also, schnell verbieten?

Klingt gut. Aber was wäre die Konsequenz? BPA würde ersetzt durch Stoffe, deren Wirkungen weniger erforscht sind. Viele Hersteller von Kunststoffbabyfläschchen praktizieren das schon, auch ohne Verbot, und bewerben ihre Produkte als BPA-frei. Die Industrie hat in dem zähen Ringkampf mit den Umwelt- und Verbraucherverbänden um die öffentliche Deutungshoheit scheinbar nachgegeben. Und verkauft das Publikum für blöd. Schließlich wollen Eltern keine BPA-freien Fläschchen, sondern unschädliche.

Allerdings möchten die meisten von Ihnen auch auf einen Master in Chemie verzichten, bevor sie einen Nuckel kaufen. Sie sind auf transparente Entscheidungsstrukturen der behördlichen Chemikalienzulassung angewiesen. Für die sieht es in der Europäischen Union gar nicht mal schlecht aus. Die Brüssler Chemikalienverordnung Reach zwingt die Industrie in einen verantwortlichen Umgang mit ihren Produkten. Sie muss nachweisen, dass ihre Chemikalien unschädlich sind – nicht die Verbraucher, dass sie schaden.

Doch Reach ist erst der Anfang. Für bessere Produkte benötigen wir eine umfängliche, transparente und öffentlich finanzierte Risikoabschätzung. Noch immer gelten Erfindungen viel, die Technikfolgenabschätzung ist eher lästig. Das spiegelt sich auch in der staatlichen Förderung. In einer mündigen Konsumgesellschaft aber wären beide im Gleichgewicht.

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