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Archiv-Artikel

Jüdisches Museum im Schnoor?

Nach dem Denkmalschutz-Veto gegen den Totalabriss der ehemaligen Bremer Synagoge diskutieren Stadt, jüdische Gemeinde und Geschichts-Gruppen nun über eine Erinnerungsstätte

von Armin Simon

Das Parkverbot ist schon die höchste Ehre: Die zwei weißen Striche, in Verlängerung eines Parkscheinautomaten aufs Pflaster gepinselt, sichern zumindest den unverstellten Blick. Doch die bronzene Gedenktafel am Kolpinghaus im Schnoor, die an die Brandstiftung der ehemaligen Bremer Synagoge durch Nazis in der Reichpogromnacht 1938 erinnert, zieht dennoch kaum Blicke auf sich. Nur selten verirren sich BremerInnen in die enge Straße hinter der Musikhochschule und auch die Masse der Schnoor-BesucherInnen schiebt sich eher durch die pittoresken Schmuckgässchen 50 Meter weiter weserwärts. Doch die Stimmen, die die Tafel um eine lebendige Erinnerungs und Begegnungsstätte ergänzen wollen, mehren sich. Von einer „sehr guten Idee“ spricht etwa die Vorsitzende der israelitischen Gemeinde, Elvira Noa. „Das würde Bremen gut tun“, meint Barbara Johr von der Landeszentrale für politische Bildung. In jeder Kleinstadt gebe es ein jüdisches Museum, argumentiert Julia Giwerzew, die vor russischen Antisemiten nach Deutschland floh. Nur in Bremen nicht: „Der einzige Ort, wo man hier was über jüdisches Leben erfahren kann, ist die Synagoge. Und da ist vor allem Kult.“

Angestoßen hat die Diskussion ausgerechnet der schon fast besiegelte Abriss des Kolping und des benachbarten Rosenak-Hauses – beziehungsweise das Veto des Denkmalschützers dagegen (taz berichtete). Der sprach von „authentischem Gewölbe“ im Kolping-Keller, hält auch das Rosenak-Haus, das einst als „kleine Synagoge“ bezeichnete jüdische Gemeindehaus, für erhaltenswert. Die Abriss-Pläne des Investors sind damit erst einmal vom Tisch, die katholische Kirche, die mit dem Erlös aus Grundstücken und Gebäuden ihr benachbartes Gymnasium finanzieren will, ruderte erschreckt einen Satz zurück. Und der Beirat Mitte forderte in einem Schreiben an Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) eine Entscheidung auf höchster Ebene.

Man habe „abschließend besprochen, dass wir das geplante Bauvorhaben so nicht genehmigen können“, heißt es im Rathaus. „Wir sind bemüht, eine vernünftige Lösung zu finden“, sagt Propst Ansgar Lüttel. Um eine Gedenkstätte zu ermöglichen, sei die Kirche auch bereit, auf einen größeren Teil ihrer zunächst geplanten Einnahmen zu verzichten. Getragen werden – auch finanziell – müsste eine solche Einrichtung allerdings von der ganzen bremischen Gesellschaft. „Es stellt sich die Frage: ‚Steigt die Stadt ein?‘“, so Johr.

Sorgen um mangelndes Interesse an einem „jüdischen Museum“, das zugleich Gedenk und Begegnungsstätte sein könne, macht sich die Geschichts-Expertin nicht. Die Ausstellung „Lebe – Chai“ über das jüdische Leben in Bremen habe 2003 binnen vier Wochen 40.000 BesucherInnen in die untere Rathaushalle gelockt. „Wir konnten uns nicht retten vor Anfragen“, erinnert sich Johr. Ähnlich der Erfolg des von ihr mit dem Verein „Erinnern für die Zukunft“ in Bremen initiierten Projekts „Stolpersteine“. Mehr als 100 der messingfarbenen Pflastersteine, die an von den Nazis deportierte und ermordete MitbürgerInnen erinnern, sind bereits verlegt, insgesamt haben sich über 400 PatInnen dafür gefunden.

Jüdisches Leben, klagt Giwerzew, gelte auch heute in Bremen noch als „exotisch“. Eine Erinnerungsstätte oder ein Museum könne dem ein „Gefühl der Selbstverständlichkeit“ entgegensetzen helfen.