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Archiv-Artikel

Masterplan für Naturstrom

Anrainerländer beschließen Rahmenkonzeption für die ökologische Entwicklung der Tideelbe. Diese soll Hand in Hand gehen mit dem Ausbau zu Gunsten der Häfen, Elbvertiefung inklusive

Von Gernot Knödler

Der Elbe soll geholfen werden: Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg haben einen ökologischen Masterplan für den Unterlauf des Stroms entwickelt. Er legt die Ziele fest, an denen sich künftige Strombauarbeiten orientieren sollen. Der Natur kommt zugute, dass sich die Wasserbauer wirtschaftliche Vorteile davon versprechen, der Strom naturnäher zu gestalten. Das Rahmenkonzept verzahne „Ökologie und Ökonomie so, dass beide Seiten profitieren“, sagte Hamburgs Umweltsenator Michael Freytag (CDU) gestern.

Angestoßen worden sei der Masterplan 2004, als darüber diskutiert wurde, ob die Flussmündungen von Elbe, Weser und Ems in das europäische Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ einbezogen werden müssten, sagte Regina Dube von der Umweltbehörde. Dessen Ziel sei es, „das europäische Naturerbe zu bewahren und dabei das regional Typische am Verbreitungsschwerpunkt zu schützen“.

In Politik und Wirtschaft stieß das Ansinnen, die Unterelbe unter Schutz zu stellen, auf größte Bedenken: Das wäre das Ende des Strombaus und damit der guten Erreichbarkeit des Hamburger Hafens, wurde orakelt. Doch Natura 2000 und die dafür maßgebliche EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) trägt wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Interessen ausdrücklich Rechnung. Die Erweiterung der Hamburger Airbus-Fabrik in ein FFH-Gebiet, das Mühlenberger Loch, hinein, ist ein Beispiel dafür.

Die Mündungstrichter der Ströme sind ökologisch besonders bedeutsam, wenn in ihnen bis weit ins Binnenland hinein die Kraft der Gezeiten wirkt – im Falle Hamburgs mehr als 120 Kilometer bis weit oberhalb der Stadt. Ebbe und Flut erzeugen in der Verbindung aus Salz-, Brack- und Süßwasser eine große Vielfalt an Lebensräumen. Zum Teil leben hier Arten, die es nirgendwo sonst auf der Erde gibt, etwa der Schierlingswasserfenchel der Unterelbe.

Diese Vielfalt ist bedroht. „Es läuft ein Prozess ab, der zu einer Kanalisierung der Elbe und zu einer Verlandung ihrer Seitenbereiche führt“, sagte Dube. Der Strom sei ein „Sanierungsfall“ – und zwar aus ökologischer wie auch ökonomischer Sicht. Die Nebenflüsse verschlicken, die Hamburger Hafenbehörde (Port Authority) kommt mit dem Baggern kaum mehr hinterher (taz berichtete). Wertvolle Flachwasserbereiche verschwinden und mit ihnen die Tiere und Pflanzen, die dort leben.

Jetzt sollen Nebenarme geöffnet, Deiche rückverlegt und Uferbefestigungen renaturiert werden. Künstliche Sandbänke und Inseln sollen den Tidenhub dämpfen. Naturverträglicher Landbau und Tourismus werden gefördert. Was wo konkret gemacht wird, darüber müssen sich die drei Bundesländer in den kommenden Jahren einigen.

Wegen der fatalen wirtschaftlichen Folgen der Veränderungen an der Elbe erhofft sich Dube eine größere Bereitschaft der Länder, ökologische Strombauprojekte auf ihrem jeweiligen Gebiet zuzulassen. „Wir sind uns trilateral einig, nicht das gegenwärtige Verteilungsmuster der Vordeichsflächen so zu behalten, wie es ist“, sagte Dube.

Die Umweltverbände NABU und BUND begrüßten den ökologischen Masterplan. Konsequenterweise müsse der Hamburger Senat aber auch auf die für 2007 geplante nächste Elbausbaggerung verzichten. „Eine weitere Elbvertiefung würde die positiven ökologischen Effekte des Masterplans aufheben“, vermutet der NABU. Ursache für die Probleme seien die Strombaumaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte, mahnt der BUND. Erst in den vergangenen Tagen sei der Sauerstoffgehalt der Elbe wieder auf die für Fische kritische Grenze von drei Milligramm pro Liter abgesackt.