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Archiv-Artikel

Fair gehandelt statt unfair behandelt

Um aus den Negativschlagzeilen zu kommen, bedient sich Lidl einer taktisch klug durchdachten Krisen-PR

Was in der Kritik ist, wird nicht thematisiert. Stattdessen werden Gute-Image-Terrains besetzt

Die Hinweise, dass Lidl-MitarbeiterInnen oft Schikanen erdulden müssen, sind nicht neu: Schon im ersten Schwarzbuch, das vor eineinhalb Jahren herauskam, wurde berichtet, dass hierzulande unbezahlte Überstunden selbstverständlich sind und dass Betriebsräte systematisch verhindert würden.

Zu den Vorwürfen äußerte sich Lidl seinerzeit nicht. Nur so viel wurde bekannt: Der Discounter hat die Agentur für Wirtschaftskommunikation Engel und Zimmermann beauftragt, sich der Sache anzunehmen. Die Münchner Agentur ist spezialisiert auf Krisen-PR. Bei Salmonellenskandalen und Weinpanschereien wurden sie tätig. Taktisch setzt sie auf Understatement. Was in die Kritik geraten ist, wird nicht thematisiert. Stattdessen werden Terrains besetzt, die mit einem guten Image verbunden sind. Dazu kommt Lobbyarbeit für eine andere Interpretation des Geschehens vor allem unter Journalisten.

Lidl hat inzwischen tatsächlich Terrains mit gutem Image besetzt. Seit kurzem sind in den deutschen Filialen Bioprodukte und fair gehandelter Kaffee im Angebot. Auch einen Unternehmenssprecher, Thomas Oberle, hat Lidl nun. Anfragen laufen nicht mehr ins Leere.

Oberle bestätigt prompt, dass Lidl seine Unternehmensphilosophie ändern wolle. „Wir wurden angegriffen, was Qualitätssicherung angeht“, meint er. Das neue Qualitätsmanagement, das Lidl nun einführen werde, schließe Fragen nach ethischem Konsum ein. „Die Kunden wollen wissen: Wo kommt die Ware her? Wie wird produziert? Günstige Produkte werden auch verlangt.“ Dafür wolle man bei Lidl nun „Verantwortung übernehmen“. Lidls Strategie korrespondiert perfekt mit den Ideen der PR-Spezialisten. Denn Qualitätssicherung ist gar nicht das Thema der Schwarzbücher, sondern der unfaire Umgang mit MitarbeiterInnen. Clever durchdacht, baut Lidl dagegen ein neues Image als Discounter der fairen Produkte auf. So gewinnt man kritische KonsumentInnen zurück. Auf die Vorwürfe in den Schwarzbüchern angesprochen, wird Oberle einsilbig. Ver.di würde einzelne Fälle von Führungsschwäche, die es bei der schnellen Expansion gegeben haben mag, hochstilisieren auf das ganze Unternehmen.

WALTRAUD SCHAWB