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Archiv-Artikel

Vorwärts und nicht vergessen

Auch dieses Jahr heißt es wieder „getrennt schreiten wir voran“, wenn auf zwei Demonstrationen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht wird

Gedenken

Traditionelle LL-Demo

Demonstration im Rahmen der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung am 12. Januar, Start: 10 Uhr, U-Bhf. Frankfurter Tor. Die Demo führt zur Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde.

Im Netz: aablock.blogsport.de

Rosa & Karl Demo

Gedenkdemonstration am 12. Januar, Start 11 Uhr, Potsdamer Platz. Die Demo führt ins Zeitungsviertel.

Veranstaltungswoche

Im Rahmen des Gedenkens bietet das Rosa & Karl Bündnis mehrere Vorträge und Diskussionen an, bis zum Sonntag finden noch drei Veranstaltungen statt, mehr dazu auf der Webseite des Bündnisses.

Im Netz:

rosaundkarl.blogsport.de

Wie fühlt es sich an, kurz vor einer Revolution zu stehen? Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht müssen es gewusst haben. Schließlich waren sie vorne mit dabei, als 1918 in Deutschland die Monarchie abgeschafft wurde. Beide kämpften für die Einführung einer sozialistischen Räterepublik, verloren am Ende aber gegen ihre ehemaligen SPD-Parteikollegen, welche am 9. November 1918 in Berlin die parlamentarische Republik ausriefen. Als Luxemburg und Liebknecht nicht aufgeben wollten, ließ sie der Volksbeauftragte für Heer und Marine, Gustav Noske (SPD), im Januar 1919 von Freikorps umbringen.

Die beiden Protagonisten der Novemberrevolution von 1918 sind inzwischen zu Ikonen der linken Bewegung geworden. Jedes Jahr versammeln sich Tausende, um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken. Dabei hilft auch, dass ihnen die Vision eines demokratischeren und weniger autoritären Sozialismus zugeschrieben wird. Der Umstand, dass Luxemburgs und Liebknechts Vorstellung von einer Räterepublik nie real umgesetzt wurde, entfaltet dabei seinen ganz besonderen Reiz. Und wie so oft, wenn es um die Einordnung der Geschichte in die Gegenwart geht, bleibt Widerspruch nicht aus. Und so finden seit dem letzten Jahr zwei Gedenkdemonstrationen statt.

Neben der großen traditionellen „LL-Demo“, hat sich ein Bündnis namens „Rosa und Karl“ gegründet. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss aus den Jugendgruppen Falken, DGB-Jugend, Solid Berlin, Jusos und Naturfreundejugend. „Wir wollen von der Geschichte der Arbeiter-Bewegung lernen und versuchen, das, was damals war, in unsere Zeit zu übersetzen“, erklären Josi und Thomas vom Bündnis ihre Motivation.

Grund für die Abgrenzung ist, dass sie sich mit der LL-Demo nicht mehr identifizieren können. So lehnen sie es ab, dass auf der Demo Stalin- und Mao-Plakate getragen und Regime wie das der DDR sowie überhaupt die gesamte linke Geschichte unkritisch glorifiziert werde. Nachdem ihre Kritik ignoriert und ihr Versuch, direkt auf der Demonstration zu intervenieren, mit Rumschubsen beantwortet wurde, entschlossen sie sich, ihr eigenes Ding zu machen. „Wir haben bewiesen, dass man auch ohne zweifelhafte Aktionen Luxemburg und Liebknecht gedenken kann“, sagen Josi und Thomas.

Gemäßigte Kritik an der LL-Demonstration gibt es in diesem Jahr auch aus den eigenen Reihen. So haben sich mehrere Antifa-Gruppen zu einem Antiautoritären Block zusammengeschlossen, um eine „kritisch-solidarische Alternative“ innerhalb der Demo anzubieten. Sie wollen ein anderes Gedenken, das nicht zum Ritual verkommt, sondern auf das Hier und Jetzt Bezug nimmt. Auch wollen sie eine neue Perspektive auf die linke Geschichte eröffnen, um diese wieder für Aktivist_innen attraktiv zu machen. Mit Bezug auf die Stalin-Gruppen fordern sie eine Auseinandersetzung, statt eine Ausschlusspolitik. „Ein Gedenken, das lediglich der althergebrachten und immer gleichen Verehrung früherer Führungspersönlichkeiten und der Verklärung einer kritisch anzueignenden Vergangenheit dient, verkommt zum Ritual“, ist dazu – etwas verklausuliert – in dem Aufruf des Antiautoritären Blocks zu lesen.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der revolutionären Vergangenheit wird auch vom neuen Bündnis „Rosa & Karl“ vorangetrieben. Im Rahmen einer Veranstaltungswoche laden sie heute zu einem Vortrag ein, in dem es um den Streit zwischen Lenin, Luxemburg und dem deutschen Sozialdemokraten Karl Kautsky über die Ausgestaltung eines sozialistischen Staates geht.

Am Freitag wird sich kritisch mit dem leninistischen Erbe auseinandergesetzt und am Samstag gibt es einen Workshop zu der Frage, inwiefern die Theorie Rosa Luxemburgs auch heute noch für die politische Arbeit von Relevanz ist. LUKAS DUBRO