nicht käuflich
: Google weiß, wo Sie wohnen

Das interaktive Fernsehen bekommt die zweite Luft. Und die soll ihm die mittlerweile weltumspannende und fast schon weltinformationsbeherrschende Suchmaschine Google einhauchen. Auf der vergangenen EuroITV, der Konferenz für interaktives Fernsehen, die im Mai in Athen durchgeführt wurde, gewann ein Papier aus dem Hause Google den Preis für das beste Forschungspapier zur Erweiterung der Glotze.

Was ich an interaktivem Fernsehen bisher kennen gelernt habe, ist eine Kooperation von ZDF und ARD. Die beiden Sender zeigten einen Krimi, wenn ich mich recht erinnerte, der auf dem einen Sender aus der einen Perspektive und auf dem anderen Sender aus der Perspektive der anderen handelnden Person gezeigt wurde. Blöd, dass ich das auf einem Fernseher ohne Fernbedienung sehen musste. Irgendwie so, wie früher die Kinderbücher, die man an bestimmten Stellen weiterlesen durfte, wenn man wollte, dass der Held eine von zwei vorgegebenen Möglichkeiten ausführt: „Wenn Du willst, dass Thomas springt, lies weiter auf Seite 154.“

Das Papier von Google hingegen macht eher Angst statt neugierig. Der Suchmaschinenbetreiber glaubt, künftig nur mit Hilfe des Übertragungsweges über die Luft feststellen zu können, welches Fernsehprogramm gerade geglotzt wird. Dafür muss allerdings im Hause des Glotzers irgendwo ein PC herumstehen, auf dem eine Google-Software läuft. Da die Suchmaschine ihr Geld mit Werbung verdient, liegt die Interaktivität natürlich nicht – wie früher die Fernbedienung oder das Kinderbuch – in Ihrer Hand, sondern in der von Google.

Und wie es bei Google üblich ist, wird der User geködert. Seien es zusätzliche Informationen zur gerade laufenden Sendung, die der Rechner dank Google automatisch herbei sucht. Zudem sollen die natürlich längst von Google erfassten soziodemografischen Daten dazu genutzt werden, dem Fernseher- und Google-Nutzer geeignete Chat-Communities zur Verfügung zu stellen. So kann man dann mit Gleichaltrigen, die über ein ähnliches Einkommen verfügen wie man selbst, über Christiansens letzte Sendung chatten.

Und wenn man einmal weiß, wer glotzt und chattet, dann wird es natürlich ganz einfach: Denn dann kommt die kontextsensitive Werbung. Wenn Google weiß, wer sendet und wer glotzt, dann kommt zum Fußball die passende Bier-Werbung, zur Arzt-Serie Venen-Salben-Spots und Prostata-Tröster und zu Christiansen Tonausfall. Wenn ich Google und Glotze an habe, sollen Medienforscher quasi überflüssig werden, hoffen die Autoren des Google-Papiers.

Google weiß, wo Sie wohnen, weil Sie bei Google Earth immer gucken, ob es neue Satellitenbilder Ihres Häuschens gibt, Google weiß, wer Ihre Freunde sind, weil es Ihre Emails liest, die Sie bei Googlemail abgelegt haben. Und demnächst weiß Google auch, was Sie glotzen. Was bleibt also an Interaktivität übrig? Der Aus-Knopf! Aber wahrscheinlich findet Google noch einen Weg, die Geräte wieder einzuschalten.

ELMAR KOK