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Archiv-Artikel

Wie eine Decke liegt Depression über dem Land. Es wird still in Nairobi

NAIROBI taz | Über nichts anderes sprechen Menschen im Geschäft, beim Tanken, an der Bushaltestelle als über Ghana. Sie sprechen gedämpft. Kenia ist nicht bei der WM, aber Kenianer fieberten bei der WM mit wie überall in Afrika. Menschen, die Fußball überhaupt nicht mögen, verfolgten Ghanas Viertelfinale gebannt. Und nun sind sie auf ewig enttäuscht.

Am Samstagabend geht die Nachricht um, dass ein Mann in der Hafenstadt Mombasa sich umgebracht hat, weil er Ghanas Niederlage nicht verkraften konnte. Seine Familie und Freunde können es nicht fassen. Selbstmord? Nie! Schon gar nicht wegen Fußball.

Es kommt noch schlimmer. Ein Kenianer wird von einem Äthiopier in einer Kneipe erstochen, weil er die Vuvuzela blies. Die anderen Gäste nahmen den Täter vor die Tür und schlugen ihn tot, berichtet das Fernsehen.

Sonntagmittag. Liz, eine Freundin und Sportlehrerin, ruft an, mit erstickter Stimme. Das Mordopfer war ihr Zwillingsbruder. „Sport macht Spaß? Fußball ist nur ein Spiel?“, fragt Liz weinend. Niemand hat mehr Lust zum Essen. Mercy, eine andere Freundin, schüttelt den Kopf. „Was ist nur los mit den Leuten? Ich mag Fußball nicht, aber ich habe das Spiel geschaut, weil es mehr als Fußball war. Es ging auch um den Stolz von uns Afrikanern. Für 90 Minuten waren wir alle Ghanaer. Aber für Stolz tötet man doch nicht?“

Ihr Mann erinnert sich, wie wir alle bei ihm zu Hause das Spiel schauten. Wie die Vuvuzelas in der Nachbarschaft riesigen Lärm machten. Wir lachten darüber, wie ein südafrikanisches Exportprodukt in Kenia so populär werden kann. Wir erinnerten uns, wie es nach dem Abpfiff still wurde in Nairobi.ILONA EVELEENS