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Archiv-Artikel

Das Sternenbanner darf brennen

Nur um eine Stimme verfehlt in den USA eine Verfassungsänderung die Mehrheit, mit der das Verbrennen der US-Flagge unter Strafe hätte gestellt werden können. Die meisten – aber nicht alle – demokratischen Senatoren stimmten gegen die Änderung

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Nur eine einzige Stimme fehlte am Dienstag, um im US-Kongress eine Verfassungsänderung durchzubringen, die es dem Kongress fürderhin ermöglicht hätte, Gesetze zu verabschieden, die die Entweihung des Sternenbanners verbieten. Doch die Vorlage verfehlte im US-Senat mit 66 zu 34 Stimmen die notwendige Zweidrittelmehrheit. Ob damit die alte Debatte, ob die US-Fahne bei Protesten angezündet werden darf, endgültig erledigt ist, bleibt zweifelhaft. Seit der Oberste Gerichtshof 1989 entschied, dass das Verbrennen der US-Fahne vom ersten Verfassungszusatz, nämlich dem Schutz der freien Meinungsäußerung, gedeckt sei, gab es bereits vier Änderungsversuche. Allerdings scheiterte keine Abstimmung so knapp wie die am Dienstag.

Das Repräsentantenhaus seinerseits hatte bereits zugestimmt. Die Gegner der Änderung, mehrheitlich Demokraten, warfen den Befürwortern, mehrheitlich Republikanern, vor, mit dem Thema Wahlkampf zu betreiben. Die Befürworter wollten das Urteil des Obersten Gerichtshofs auf der Grundlage außer Kraft setzen, dass das Verbrennen der Fahne kein Form der „freien Rede“ darstelle. Sie sind der Ansicht, dass die Autorität des Kongresses nach einem irregeleiteten Gerichtsurteil wiederhergestellt werden müsse. Vor allem jetzt, da US-Truppen in Gefahr seien, sei es angebracht, die Fahne zu schützen.

Die Gegner argumentierten, dass die Befürworter der Verfassungsänderung leichtfertig mit den Grundrechten herumhantierten, obgleich es seit den 70ern in den USA kaum noch zu Fahnenverbrennungen komme. Der Gedanke, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, beschneide ebenjene Freiheiten, für die die US-Fahne stehe. „Das Verbrennen ist obszön und unpatriotisch“, sagte Senator Daniel Inouye, ein Demokrat aus Hawaii. „Ich glaube aber, dass Amerikaner in vielen Kriegen ihr Leben gelassen haben, um dafür zu kämpfen, dass Amerikaner das Recht haben, ihre Meinung auszudrücken, auch wenn sie hasserfüllte Gedanken hegen.“

Präsident George Bush, dessen Vater Präsident war, als der Fahnenstreit zum ersten Mal ausbrach, zeigte sich enttäuscht. Er ermunterte die Befürworter, nicht nachzulassen. Die für eine Verfassungsänderung ebenfalls notwendige Zustimmung von mindestens 38 Bundesstaaten besteht bereits, da nahezu alle Staaten die Änderung in der ein oder anderen Form abgesegnet haben. Um die US-Verfassung zu ändern, ist in jeder Kongresskammer die Zustimmung von jeweils zwei Dritteln der Abgeordneten nötig.

Es ist bereits das zweite Mal in einem Monat, dass konservative Abgeordnete mit dem Versuch gescheitert sind, die Verfassung zu ändern. Der Senat hatte vor kurzem einen Vorstoß abgelehnt, der gleichgeschlechtliche Ehen verboten hätte.

Das Repräsentantenhaus verabschiedete zeitgleich am Dienstag eine Vorlage, die es Hausbesitzern verbietet, Mietern das Anbringen der US-Fahne am Haus zu untersagen.

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