Elbfische schnappen nach Luft

Der Sauerstoffgehalt unterhalb des Hamburger Hafens nähert sich der für Fische kritischen Grenze. Schleswig-Holsteins Grüne und Umweltschützer fordern Verzicht auf nächste Elbvertiefung. Vielfalt von Faktoren wirkt zusammen

Ein bisschen Sommer – und schon ist das Sauerstoffloch in der Elbe wieder da. Der Sauerstoffgehalt des Elbwassers unterhalb des Hamburger Hafens ist in den vergangen zwei Wochen von zehn auf drei Milligramm pro Liter gefallen. Sinkt der Sauerstoffgehalt unter diesen Wert, drohen die Fische zu ersticken. „Das nächste Fischsterben ist zu befürchten“, warnt der Verein „Rettet die Elbe“. Die schleswig-holsteinischen Grünen verlangten von der Kieler Landesregierung, der geplanten Elbvertiefung auf 14,50 Meter nicht zuzustimmen.

Das Sauerstoffloch tritt alljährlich zusammen mit der witterungsbedingt ansteigenden Temperatur des Elbwassers auf. Die Temperatur begünstigt den sauerstoffzehrenden Abbau toter Algen und Mikroorganismen. Dass hier in großem Stil organisches Material verrottet, hat mehrere Ursachen: In der flachen Oberelbe gedeihen große Mengen von Algen, wohl genährt durch den Dünger, der von den Äckern in den Strom gespült wird. Gelangen sie ins seeschifftiefe Wasser, sterben sie ab. In der Fahrrinne mangelt es ihnen an Licht für die Photosynthese.

Dazu kommt, dass seit der Elbvertiefung von 1999 ein immer größerer Teil der toten Algen tidebedingt in der Elbe hin und her schwappt, statt zügig ins Meer gespült zu werden. Ein Phänomen, dem unlängst die Hafenbehörde und die Wasser- und Schifffahrtsdirektion auf die Spur gekommen sind (taz berichtete). Die Wasserbauer sahen sich mit rasant steigenden Baggergut-Mengen konfrontiert: Das was sie aus dem Hafen schöpften und stromabwärts wieder ins Wasser kippten, kam flugs zurück geschwappt. Um das zu ändern, wollen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein jetzt neue Inseln, Sandbänke und Flachwassergebiete schaffen.

Auch die nächste Elbvertiefung soll sich in dieses Konzept einfügen – in den Augen von Umweltschützern ein Widerspruch. „Ursache der fortlaufenden Verschlechterung wichtiger Parameter wie des Sauerstoffgehalts, des mittleren Niedrigwassers oder des Sedimenttransports sind eindeutig die Strombaumaßnahmen der letzten Jahrzehnte“, stellt der BUND fest. „Die nochmalige Elbvertiefung wird voraussichtlich die bestehenden ökologischen Probleme, zum Beispiel das jährliche Sauerstoffloch in der Unterelbe weiter vergrößern“, schlussfolgern die Kieler Grünen.

Es seien nicht nur die Vertiefungen sondern auch das Abbinden von Nebenarmen und das Einschnüren des Flusses für die Probleme verantwortlich, sagt die Hafenbehörde. Die jüngste Elbvertiefung habe den Tidenhub nur um wenige Zentimeter vergrößert. Die Folgen der nächsten Vertiefung ließen sich mit dem neuen Wissen verträglich gestalten. Der BUND dagegen warnt vor dem schieren Ausmaß der geplanten Vertiefung: Statt 13 Millionen Kubikmetern wie beim letzten Mal, müssten 38 Millionen Kubikmeter Sand und Schlick bewegt werden.

Gernot Knödler