: berliner szenen Stadt statt Stadion
WM im Hintergrund
Das letzte Deutschlandspiel habe ich mit zwei Mexikanerinnen geschaut. Sie hatten den Flug nach Deutschland inklusive zwei Halbfinale-Tickets bei einem Wettbewerb gewonnen. Gesucht wurde die Person, die am meisten wie Goleo aussieht.
Ich laufe momentan gerne durch die Stadt und schaue den Menschen zu, die an jeder Ecke beieinander sitzen und Fußball gucken. In der Oderberger Straße stehen Fernseher plus Bierbänke auf der Straße und ziehen große Gruppen jubelnder Menschen an. Riesige Sonnenbrillen, wie die von Victoria Beckham, und Kinderwagen einer Marke, die angeblich auch Gwyneth Paltrow für ihren Nachwuchs benutzt, findet man viele in der Menge. In überfüllten Hinterhöfen sieht man selbst gezimmerte Holzgerüste, die der Leinwand Schatten spenden sollen. Das Publikum schwitzt derweil in der prallen Sonne und trinkt Berliner aus mitgebrachten Flaschen. In der Schwedter Straße wurde eine Tankstelle umfunktioniert, davor ein kleiner Bildschirm. Die Biere, die man hier kaufen kann, sind auch klein und teuer. Im Görlitzer Park sitzen Leute eher andächtig auf Sofas in den alten Bahnhofshallen und genießen Fußball im Finsteren, aber auf Leinwand. Draußen wirbeln Hobbyfußballer Staub auf, die dieses Jahr gegenüber Frisbeespielern eindeutig in der Mehrzahl sind.
Am liebsten mag ich das Hintergrundgeräusch des Tobens im Stadion, das aus den vielen Fernsehern der Stadt gleichzeitig ertönt. Es hat etwas Vertrautes und erinnert mich an meine Kindheit, als dieses Geräusch aus dem Nebenzimmer ertönte und ich schon längst im Bett lag. Heute lege ich mich auf eine Wiese, schließe die Augen und höre dem Toben zu. Die eine Mexikanerin sieht tatsächlich ein bisschen aus wie Goleo. MAREIKE BARMEYER