: Korrekt gekleidet
MODE Wenn der deutsche Mann mal etwas Führung bei Modefragen suchte, dann griff er zum „Modediktator“ – prinzipiell hat sich bei der journalistischen Modeberatung für den Mann seit den 20er Jahren nichts geändert
■ Am Dienstag nächste Woche beginnt die Berlin Fashion Week. Bis 19. Januar kann man sich nach den neuesten Modetrends umgucken. Wobei gilt: Die Schauen richten sich meist an geladene Gäste oder sonst wie akkreditiertes Fachpublikum. Was es alles an öffentlichen Veranstaltungen im Programm gibt, erfährt man auf www.fashion-week-berlin.com.
■ Männermode gibt es zum Beispiel am 17. Januar bei der Show von Julian Zigerli, der Modedesign an der UdK in Berlin studierte, zu sehen und am 19. Januar bei der „X“-Jubiläumsschau des Berliner Menswear-Labels Sopopular. Jeweils Akkreditierung notwendig.
VON MARCUS WOELLER
Die Männer geraten in den Fokus. Zumindest ihre Kleidung. Auf der Berlin Fashion Week, die in der nächsten Woche zum 14. Mal stattfindet, ist die Männermode ein wachsendes Segment. Labels wie Julian Zigerli, Ivanman, Marc Stone oder Sopopular widmen sich sogar ausschließlich dem modisch traditionell eher schwachen Geschlecht. Coco Chanels berühmter Ausspruch – „Ein Mann kann anziehen, was er will. Er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau.“ – ist also endlich ungültig geworden. Doch es hat lange gebraucht, bis sich der Mann modisch emanzipierte. An mangelnder Aufklärung, was er tragen sollte beziehungsweise was er wenigstens tragen könnte, lag es aber nicht.
Schon in den 1920er Jahren gab es nämlich ein breites Angebot an Modezeitschriften für den Mann. Der wollte damals noch ein Herr sein, genauer ein korrekter Herr. Das war jedenfalls das modische Ideal nach englischem Vorbild. Magazine wie Blau-Rot, Der Junggeselle oder Der Modediktator bewegten sich mit diesem Ansinnen nach korrekter Kleidung allerdings im Widerspruch zur deutschen Nachkriegsrealität, in der nur ein Bruchteil der Männer sich den regelmäßigen Gang zum Maßschneider leisten konnte oder genügend verdiente, um aus dem wachsenden Sortiment der Konfektionsware wählen zu können.
Anzug ging schon immer
Die Kunsthistorikerin Änne Söll von der Universität Potsdam forscht auf dem Gebiet der Konstruktion von Männlichkeit in der Weimarer Republik. In einem Vortrag der Reihe „Mode Thema Mode“ des Kunstgewerbemuseums stellte sie am Mittwoch anhand der genannten drei Zeitschriften vor, in welchem Zwiespalt sich der Mann schon vor knapp hundert Jahren befand.
Wer als korrekter Herr gelten wollte, war auf den Anzug als konservativem Universaldress angewiesen oder trug die Uniform des Militärs, der Beamten oder eines Berufsstandes. Die Frau dagegen hatte sich, freilich nur äußerlich, schon längst von allzu korrigierender Kleidung befreit und die Korsette verbrannt. Der Mann jedoch stand, noch im Bewusstsein seines Herrschaftsanspruchs, garderobemäßig im Schatten dieser neuen Frau der Zwanziger.
Was tun, dachte sich der Mann und blätterte beispielsweise im Modediktator. Das Blatt war zunächst Sprachrohr der Konfektionsindustrie, arrangierte sich dann später bald mit der Nazidiktatur und schmückte sich sogar mit Hitler als Cover-Testimonial. Inhaltlich als Ratgeberheft angelegt, diktierte der Herausgeber Baron von Eelking dem Herren der gehobenen Mittelschicht, was er denn anzuziehen hätte. Der Junggeselle versuchte mit frivolem Unterton das weniger konventionelle Kleinbürgertum modisch zu unterrichten, vor allem aber Hilfestellung beim Seitensprung zu leisten. Blau-Rot war sozusagen das Premiummagazin der Zeit und richtete sich an aristokratisch gefärbte Großbürger mit internationalem Anspruch. Allen Magazinen war gemein, dass sie neben erklärenden Modetexten, Fotos und Zeichnungen, auch ein Allerlei an Tipps für Reise, Inneneinrichtung, Sammellust und Etikette anboten.
So viel hat sich auf dem journalistischen Beratungsmarkt für den modeinteressierten Mann von heute also nicht verändert. Mainstream-Magazine wie GQ oder Men’s Health setzen nach wie vor auf den bewährten Mix von Modefotografie, Designer-Hype und Produktfetischisierungen. Mit Fantastic Man kam vor acht Jahren eine innovativere Zeitschrift auf den hart umkämpften Markt der Anzeigenbudgets – sie huldigt dem Mann in einer Kombination von essayartiger Sprache, ambitioniertem Layout und genrespezifischer Selbstbeweihräucherung.
Insgesamt hat sich die Branche aber diversifiziert, seit der Mann nicht mehr korrekt oder irgendwie gekleidet sein will, sondern am liebsten einzigartig. Es gibt also Spezialmagazine für Sneaker-Sammler, Tweed-Nostalgiker und Outdoor-Freaks.
Die wirkliche Revolution des Männermodemagazins hat aber natürlich im Internet stattgefunden. Foto-Blogs wie „The Sartorialist“ spüren die gut gekleideten Männer direkt auf den Straßen auf. Hipster-Blogs wie „Dandy Diary“ versuchen zu polarisieren und aktiv Trends zu setzen. Die Zukunft scheint aber Start-ups wie „Modomoto“ zu gehören, die von ihren exklusiv männlichen Usern ein Geschmacksprofil abfragen, um ihnen dann vermeintlich persönlich zugeschnittene Kombinationen nach Hause zu schicken. Der korrekt relaxte Herr von heute muss also keine Magazine mehr wälzen, er kann sich zurücklehnen und auf sein Postpaket warten.