ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE ZINSPOLITIK DER FED
: Das große Zögern

Die kurzfristigen Zinsen werden gar nicht angehoben – die langfristigen nur sehr langsam

Die weltweite Niedrigzinsphase geht zu Ende. Jedenfalls langsam. Die US-Notenbank Fed hat jetzt die Protokolle ihrer Sitzung vom Dezember veröffentlicht. Damals entschied sie, sich davon zu verabschieden, pro Monat amerikanische Staatsanleihen im Wert von 85 Milliarden Dollar aufzukaufen. Künftig sollten es nur noch 75 Milliarden Dollar sein – Tendenz sinkend. An den Protokollen ist interessant, dass hinter dem Beschluss eine große Mehrheit der Fed-Führung stand. Es ist also nicht mehr daran zu zweifeln, dass die Fed versuchen wird, in diesem Jahres möglichst vollständig aus dem Aufkaufprogramm auszusteigen. Was bedeutet das für Europa und die Welt?

Zunächst einmal: Der Kauf von Staatsanleihen dient dazu, die langfristigen Zinsen zu beeinflussen. Die kurzfristigen Zinsen sind davon nicht betroffen. Sie werden über den Leitzins gesteuert, den die Fed unverändert niedrig halten will. Kombiniert ergibt sich also ein Bild der großen Zögerlichkeit: Die kurzfristigen Zinsen werden gar nicht angehoben – und die langfristigen nur sehr langsam.

Dahinter steckt eine berechtigte Angst der Fed-Notenbanker. Sie fürchten, dass sie die Weltfinanzen ins Chaos stürzen könnten, wenn sie die Zinsen zu schnell anheben – obwohl die US-Wirtschaft inzwischen wächst und höhere Zinsen verkraften könnte. Aber die Fed will verhindern, dass sich das globale Kapital in Bewegung setzt und in die USA flutet, weil dort höhere Zinsen locken – und andere Länder in den Kollaps treiben, weil dort plötzlich das Geld fehlt. Die Fed ist also nicht unabhängig, sondern an die Politik der anderen Notenbanken gekettet. Die Europäische Zentralbank hat aber an diesem Donnerstag entschieden, den Leitzins bei 0,25 Prozent zu belassen, um die schwache Konjunktur in den Krisenländern zu stützen.

Es ist paradox: Die Fed-Protokolle zeigen, wie machtvoll die US-Notenbank ist – und doch wie machtlos.

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