: Wer macht bloß den Müller?
MÜLLER-ERSATZ Bundestrainer Löw braucht gegen die Spanier robuste Spieler. Aber die potenziellen Ersatzkräfte Trochowski, Kroos oder Cacau sind nicht besonders kopfballstark
BUNDESTRAINER JOACHIM LÖW
AUS ERASMIA MARKUS VÖLKER
Kann gut sein, dass Piotr Trochowski und Toni Kroos heute Nacht etwas unruhiger geschlafen haben als sonst. Von ihnen wird heute nämlich das Unmögliche verlangt: Sie sollen Thomas Müller im Halbfinale gegen Spanien ersetzen. Den Müller, 20, der das Turnier seines Lebens spielt und dabei so unbeschwert wirkt, als stehe er noch wie weiland beim TSV Pähl im Sturm. Müller hat im Viertelfinale gegen Argentinien eine gelbe Karte gesehen, seine zweite im Turnierverlauf. Er muss heute pausieren.
Die Strafe ist hart, denn Müller schien den Ball nicht absichtlich mit der Hand zu spielen. Dennoch zückte der usbekische Unparteiische Rawschan Irmatow die Karte, sehr zur Verzweiflung des viermaligen WM-Torschützen Müller, der sofort begriff, welch ungerechtes Schicksal ihn ereilen sollte.
Müller spielt in der offensiven Mittelfeld-Dreierkette auf der rechten Seite. Er wurde bei diesem Turnier dreimal ausgewechselt, und jedes Mal kam Trochowski, 26, für ihn auf den Platz. Dieses Muster spricht für den Profi des Hamburger SV. Für ihn spricht auch, dass Kroos lieber im zentralen oder linken Mittelfeld spielt. Gegen Trochowski spricht allerdings, dass Kroos, 20, von sich behauptet, überall kicken zu können.
Gegen Trochowski spricht überdies, dass er zwar über einen strammen Schuss verfügt, aber bisweilen die Angewohnheit hat, das Spiel zu verschleppen, die Übersicht zu verlieren und das Heil im Dribbling zu suchen, kurzum ein Spieler zu sein, dem es an Spielintelligenz mangelt.
Kroos’ fußballerischer IQ liegt locker über 140, doch er könnte trotz seiner überragenden Anlagen nur die Nummer drei in den Kalkulationen von Bundestrainer Joachim Löw sein, denn der brachte auch Cacau, 29, ins Gespräch als Müller-Ersatz.
Doch taugt Cacau zum Müller’schen Super-Surrogat? Er plagt sich nun schon seit Tagen mit einer Bauchmuskelzerrung herum, einer Verletzung, die immer wieder aufzubrechen scheint. Mal trainiert er mit, mal nicht. Der wehe Bauchmuskel sollte Löw davon abhalten, Cacau ins Einsatzgebiet von Müller zu entsenden.
Gar nicht im Gespräch ist derweil der kleine Dribbelkünstler Marko Marin. Im Match gegen Serbien hatte Marin seine Chance bekommen – und verspielte sie. Es heißt, der Bundestrainer sei überhaupt nicht angetan gewesen vom Auftritt Marins. Jetzt kommt er auch wegen seiner physischen Voraussetzungen nicht infrage. Gegen die spanische Elf, mal abgesehen von Abwehrspieler Piqué eher kleiner von Wuchs, braucht Löw robustere Spielertypen.
Allerdings kann man nicht behaupten, dass die Müller-Ersatzkräfte Trochowski, Kroos und Cacau besonders kopfballstark wären, nein, sie haben es lieber, wenn der Ball flach gespielt wird und ihnen am Fuß klebt. So gesehen wiegt der Ausfall von Müller doppelt schwer, denn nur Klose ist in der deutschen Offensive kopfballstark. Löw sieht das nicht so eng: „Wenn ich die anderen Spieler sehe, die infrage kommen, ihn zu ersetzen, dann habe ich ein gutes Gefühl“, sagt er. „Trochowski, Cacau, Kroos – die alle können die Position zu meiner Zufriedenheit ausfüllen.“ Wie schon gegen Argentinien müssen die Mittelfeldspieler wieder viel laufen, um die Defensive zu unterstützen; Podolski hatte das zuletzt vorbildlich erledigt.
Mit Iniesta und Xavi, Villa und Co stünden gleich mehrere Messis in der Reihen der Spanier, sagt Löw. „Wir müssen sie zu Fehlern zwingen, sie selbst machen kaum welche.“ Aber wie kann das gehen? Mit Dominanz: „Wir können jeden dominieren, auch im spielerischen Bereich.“
Gegen die vielen Messis muss die Mannschaft ihre Meisterprüfung bestehen. Ohne Müller. Der könnte sie im Finale nachholen.