DAUMENKINO
„Predators“

Um die Niederlage in Vietnam wenigstens im Nachhinein auf der Leinwand zum Sieg erklären zu können, musste der amerikanische Held selbst wie der Feind werden

Die wichtigste Lektion des US-Actionkinos der Achtzigerjahre: Im Dschungel lauert der Feind. Und dieser ist von Grund auf fremd, quasi unsichtbar, er schlägt hinterhältig zu, verbindet Low- mit Hi-Tech, Animalität mit Listenreichtum, Contenance mit heißblütiger Archaik. Arbeit am Trauma und am Mythos: Um die demütigende Niederlage in Vietnam wenigstens im Nachhinein auf der Leinwand zum Sieg erklären zu können, musste der amerikanische Held selbst wie der Feind werden: Ein schmutziger Guerillero im Dickicht, abseits üblicher Befehlshierarchien und auf sich allein gestellt.

Im ersten „Predator“-Film von 1987 verdichteten sich die dem Feind zugesprochenen Attribute in der mythisch überhöhten Darstellung eines raubtierartigen Aliens, des Predators, der im Dschungel von Guatemala unter Wahrung der Ikonografie des „Vietnam Combat Movies“ Trophäenjagd auf eine von Arnold Schwarzenegger angeführte Söldnertruppe macht. 23 Jahre später ist aus der Chiffre ein medienübergreifendes Franchise geworden, säuberlich ins popkulturelle Geekuniversum einsortiert und also für einen Geek wie Robert Rodriguez („Sin City“), der den nunmehr fünften „Predator“-Film als Produzent ins Kino bringt, Fetisch-Fundus und Spielwiese.

Wenn hier nun, in Umkehrung der ursprünglichen Prämisse, eine internationale Söldnergruppe rund um den schmächtigen Schwarzenegger-Ersatz Adrien Brody ahnungslos in den Dschungel des Predatorplaneten plumpst, um sich bald darauf in der Beuterolle wiederzufinden, interessiert sich die Produktion gewiss nicht für Mythopoetik, sondern lediglich für nerdigste Ökonomie: Wouldn’t it be cool, if … ? Wäre es zum Beispiel nicht cool, wenn sich die erste Hälfte des Films wie die gerade abgeschlossene Mysteryserie „Lost“ anfühlt? Wenn mittendrin Laurence Fishburne als allerdings vertrottelte Fassung von Col. Kurtz aus „Apocalypse Now“ ins Bild quillt? Wenn ein Predator zum Samuraiduell antritt? Wäre es wohl auch, wäre „Predators“ nicht bloß vollgestellt mit solchen halb zu Ende gedachten Ideen, über die der Film alle halblang stolpert statt sie souverän zu verdichten. Wäre „Predators“ nicht zugestopft mit dümmlich markigen Sprüchen, die gerade bei dem Melancholiker Brody nur lächerlich wirken, oder hätte man einfach die Dynamiken einer schlichten konfrontativen Anordnung ausgelotet. Statt am guten Genre-Handwerk orientiert sich „Predators“ an der Logik der Checkliste: Gut ist, was abgehakt ist, Umsetzung egal. Als Raubtier gesprungen, als Aufkleber im Sammelalbum gelandet.

THOMAS GROH

■ „Predators“. Regie: Nimród Antal. Mit Adrien Brody, Alice Braga, Fisburne u. a. USA 2010, 106 Min.