„Politische Altlast Guantánamo“

Sumit Bhattacharyya von amnesty international zum Urteil des US Supreme Court

taz: Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA, dass die Militärtribunale gegen terrorverdächtige Gefangene illegal sind, liegt es an der Bush-Regierung, ein anderes Verfahren auszuarbeiten. Was erwarten Sie?

Sumit Bhattacharyya: Bislang sind immer neue Konstruktionen aus dem Hut gezaubert worden, um diese Urteile zu umgehen. Es steht zu befürchten, dass genau das wieder passiert. Dabei wäre das Konsequenteste, das System Guantánamo jetzt endlich zu verlassen. Das System beruhte auf der Idee einer Justiz zweiter Klasse, auf Geheimhaltung und auf der Ausschaltung des US-Justizsystems. Das ist misslungen. Guantánamo ist eine politische Altlast und hat mittelfristig keine Zukunft.

Beim EU-USA-Gipfel konnte man den Eindruck gewinnen, die EU halte die Forderung nach Schließung von Guantánamo nicht nach. Österreichs Kanzler Schüssel äußerte sogar Verständnis für die US-Position.

Verständnis für Guantánamo ist absolut nicht angebracht. Es ist unbestritten, dass die USA sich wehren dürfen, wenn sie terroristischen Attacken ausgesetzt sind, aber das in rechtsstaatlichen Bahnen.

Die US-Regierung hat mehrfach die Möglichkeit ins Spiel gebracht, die Gefangenen von Guantánamo in ihre Heimatländer zu deportieren oder an andere Drittstaaten abzugeben. Was halten Sie davon?

Das ist abzulehnen. Viele dieser Häftlinge kommen aus Staaten, in denen gefoltert wird. Es kann nicht sein, dass sie dahin abgeschoben werden. Die USA haben diese Menschen gefangen genommen, jetzt haben sie auch die Verantwortung dafür, dass ihre Menschenrechte nicht noch weiter verletzt werden. Zumal ja nur geschätzt zehn Prozent der Gefangenen überhaupt konkreter terroristischer Taten verdächtigt werden. Sie müssen eine Anklage und ein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Alle anderen müssen sofort freigelassen werden und eine angemessene Entschädigung für die Haftzeit erhalten.

INTERVIEW: BERND PICKERT