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Archiv-Artikel

EU: Hartz IV muss man prüfen

HILFE Die EU-Kommission betrachtet die deutsche Regelung, nach der EU-Bürgern in bestimmten Fällen pauschal Hartz IV verweigert wird, als rechtswidrig. CSU empört

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Die restriktive deutsche Regelung der Hartz-IV-Gewährung für EU-Bürger ist rechtswidrig. Diese Auffassung vertrat die EU-Kommission in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, wie zunächst die Süddeutsche Zeitung berichtete. Die CSU reagierte empört. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warnte: „Die nationalen sozialen Sicherungssysteme sind kein Selbstbedienungsladen für alle Europäer, die zu uns kommen.“

Das EuGH-Verfahren wurde durch eine Anfrage des Sozialgerichts Leipzig von Juni 2013 ausgelöst. Dort geht es um die allein erziehende 24-jährige Rumänin Elisabeta D. und ihren vierjährigen Sohn, die in Leipzig Hartz IV beantragt hatten. Das Sozialgericht wertete D. nicht als „arbeitssuchend“, weil sie keine Anstrengungen zur Arbeitssuche nachweisen könne.

Mitte Dezember hat auch das Bundessozialgericht den EuGH eingeschaltet. Dort geht es um die Frage, ob „arbeitssuchende“ EU-Bürger in Deutschland Hartz IV beziehen können. Möglicherweise wird der EuGH beide Verfahren miteinander verbinden.

Nach deutschem Recht haben derzeit nur Arbeitnehmer und Selbstständige, die zu wenig verdienen, Anspruch auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen. EU-Bürger, die erstmals in Deutschland Arbeit suchen, sind generell von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen. Ausgeschlossen sind auch wirtschaftlich inaktive EU-Bürger in den ersten drei Monaten – wobei sie anschließend im Prinzip kein Aufenthaltsrecht in anderen EU-Staaten haben.

Die EU-Kommission hat Deutschland nicht verklagt, sondern wurde vom EuGH im Leipziger Verfahren angehört. In ihrer Stellungnahme, die der taz vorliegt, fordert die Kommission „Einzelfallentscheidungen“ statt automatischer Leistungsausschlüsse, wie sie das deutsche Recht vorsieht. Im Fall wirtschaftlich nicht aktiver EU-Bürger kann sie sich dabei auf den EuGH stützen, der eine ähnliche österreichische Regelung bereits im September beanstandete.

Es spricht vieles dafür, dass der EuGH den deutschen Ausschlussautomatismus in beiden Konstellationen beanstanden wird, also sowohl im Fall wirtschaftlich nicht aktiver EU-Bürger als auch bei arbeitssuchenden EU-Bürgern. Ob Elisabeta D. und ihr Sohn dann Hartz IV bekommen, ist aber keineswegs sicher. Auch die Kommission wies gestern darauf hin, dass sie keinen Automatismus der Leistungsgewährung fordere.