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Archiv-Artikel

Pfiffe für die Promis, Jubel für die Teams

Zur Eröffnung der Straßenfußball-WM in Kreuzberg kam auch Außenminister Steinmeier. Seit Auftritt wurde von Buh-Rufen begleitet. Der Grund: Zwei afrikanische Teams hatten keine Visa bekommen. Die Mannschaften wurden euphorisch begrüßt

VON JOHANNES KOPP

Völlig unverhofft kamen die Straßenfußball-Teams aus Paraguay und vom Balkan zu einer besonderen Ehre: Sie bestritten vor 2.200 Zuschauern gestern Nachmittag das Eröffnungsspiel der Straßenfußball-Weltmeisterschaft in Kreuzberg. Die gastgebende Mannschaft aus Friedrichshain-Kreuzberg, „fx united“, die eigentlich das Turnier eröffnen sollte, musste noch auf ihren Trainer warten. Das war aber auch die einzige Panne bei der perfekt organisierten Eröffnungsveranstaltung.

Nicht so perfekt lief es für das Team aus Paraguay: Es verlor die erste Partie mit 1:2. Traurig saßen die Spieler hinter den Absperrgittern und hörten sich eine Gardinenpredigt ihres Trainers an. Trost spenden war verboten: Die Polizei ließ niemanden zu ihnen vor. Nicht aus Mitgefühl mit den Verlierern, sondern wegen der zu schützenden Polit-Prominenz, die sich in diesem Bereich des Stadions aufhielt.

Kurz vor 14 Uhr hatte der Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Straßenfußball-WM eröffnet. Auf solch eine prominente Bühne wie am Sonntag in Berlin dürfte es der Straßenfußball vorher noch nie geschafft haben. Neben dem Außenminister und dem Regierenden Bürgermeister Berlins Klaus Wowereit (SPD) hatte sich auch Sepp Blatter, das „Oberhaupt des Weltfußballs“, eingefunden.

Bei seiner Ansprache bediente sich Blatter aus seiner pathetischen Floskelschatztruhe: „Football for all. All for football. Enjoy live, enjoy the game. Make a better world.“ Seine Rede wurde – wie auch der Auftritt des Außenministers – von Pfiffen und Buh-Rufen begleitet.

Das multikulturelle Publikum in Kreuzberg hatte aber durchaus Sinn für Pathos. Als der Andres Escobar-Pokal, um den bis zum Finale am 8. Juli gespielt wird, von der kolumbianischen Mannschaft aufs Kleinfeld getragen wurde, bebte aufgrund des tosenden Applauses die Stahlkonstruktion des Stadions am Mariannenplatz für einige Sekunden. Benannt ist der Pokal nach dem kolumbianischen Nationalspieler Andrés Escobar, der 1994 nach der Fußball-WM in seiner Heimat wegen eines Eigentores erschossen wurde.

Den Veranstaltern der 1. Straßenfußball-WM, allen voran Jürgen Griesbeck, dem Initiator des internationalen Netzwerkes streetfootballworld, geht es darum zu zeigen, wie erfolgreich man Fußball als Medium für Sozialarbeit einsetzen kann. Die in Berlin antretenden 22 Teams aus aller Welt rekrutieren sich aus vielerlei sozialen Projekten. Je nach Schwerpunkt bilden etwa Waisenkinder, ehemalige Drogenabhängige oder Schulabbrecher ein Team. Oder es wird Wert auf das Zusammenspiel von verfeindeten Gruppen gelegt. So treten etwa Hutu und Tutsi sowie Palästinenser und Israelis jeweils in einer Mannschaft an.

„Über den Fußball sollen junge Menschen fürs Leben lernen: Toleranz, Weltoffenheit und Gewaltverzicht sind das Motto“, so steht es auf der Website des Bundesinnenministeriums geschrieben. Die Bundesregierung zählt zu den finanziellen Hauptförderern der Straßenkicker-WM. In Punkto Weltoffenheit konnte man aber im Vorfeld der Veranstaltung einige Defizite auf Seiten der Bundesregierung feststellen. Die zum Turnier geladenen Teams aus Ghana und Nigeria erhielten keine Visa. Ein bitterer Wermutstropfen.

Die Veranstalter wollten aber deshalb keine schlechte Laune aufkommen lassen. Sie ließen spontan den Organisator des nigerianischen Street-Soccer-Teams auftreten, der strahlend verkündete, dass sein Land eben das nächste Mal wieder dabei wäre. Und Außenminister Steinmeier sagte Fußballprojekten in Ghana und Nigeria für die nächsten Jahre Unterstützung zu.