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Archiv-Artikel

„Es bleibt nicht so viel wie versprochen“

KARIKATURIST II Jonathan Shapiro, Schöpfer der „Zapiro“-Cartoons, fürchtet Desillusionierung

Jonathan Shapiro

■ zeichnet als „Zapiro“ Südafrikas berühmteste politische Cartoons, die während der WM auch in der taz erscheinen. Geboren 1958 in Kapstadt, wurde er während der Apartheid verfolgt und studierte in den USA. In letzter Zeit legte er sich mit dem ANC und Präsident Zuma an.

taz: Herr Shapiro, was bleibt von dieser WM für Südafrika?

Jonathan Shapiro: Ich denke, es ist eine gemischte Bilanz. Das Turnier selber fand ich sehr spannend, die positiven Vibes in den Städten, Südafrikaner und Leute aus aller Welt, die zusammen Spaß haben. Und es scheint sehr gut organisiert zu sein. Dieses gute Gefühl und diese gute Außendarstellung ist Teil der Hinterlassenschaft. Aber hinterher werden wir die unerfüllten Versprechungen sehen. Die Stadien sind noch da, sie wurden gebaut, sie wurden gut gebaut, aber die damit verbundenen Versprechungen, dass manche Gegenden jetzt einen Aufschwung erleben, scheinen sich nicht erfüllt zu haben. Die Stadien sind fertig, die Busse wurden fertig – manche auch nicht –, aber das Turnier hatte Priorität. Es wird irgendwann Enttäuschung einsetzen.

Wie nachhaltig sind die „guten Vibes“, die viele Südafrikaner gerade empfinden?

Wir haben die Erfahrung der Rugby-WM von 1995. Die war natürlich längst nicht so groß wie die Fußball-WM. Aber sie kam ganz am Anfang der Demokratie, Nelson Mandela war Präsident, und es war eine tolle Stimmung, und leider denke ich immer daran zurück und denke, das war irgendwie eine Illusion. Es war eine Illusion, denn als alles vorbei war, hatten wir die gleichen Probleme wie vorher. Natürlich ist es wichtig, sich gut zu fühlen, und das positive Image für Südafrika und das Geld, das es bringen wird, weil Touristen wiederkommen, das ist real. Aber in Bezug auf die wesentlichen Probleme, vor denen das Land steht, wird nicht so viel bleiben wie versprochen. Und etwas anderes, was wir erwarten, und das macht uns große Sorge, ist die Androhung erneuter Ausländerfeindlichkeit vor allem gegen afrikanische Immigranten hier. Wir warten, ob das wirklich eintritt, denn das kann einem wirklich Angst einjagen. Wenn ja, sind wir zurück auf null in dieser Frage.

Also entwickelt sich kein „kultureller Aufbruch“ aus den WM-Vibes?

In den Zentren von Johannesburg, Durban, Kapstadt und ein paar anderen Orten könnte es eine bleibende Erinnerung daran geben, wie man Dinge besser organisiert für alle, die sich einfach amüsieren wollen. Vielleicht werden Lehren gezogen. Aber wo die meisten Leute leben – also nicht bei den Stadien –, ist es anders. Ich befürchte, dass, wenn alle nach Hause gegangen sind, die Fragen des Wettbewerbs um Ressourcen, mangelhafte staatliche Dienste, Unmut gegen mutmaßliche Ausländer alle noch da sind. Die WM hat leider darauf wenig Einfluss gehabt.

Hat die WM den Blick der Südafrikaner auf sich selbst verändert?

Ich glaube schon, und da kann ich optimistischer sein. Wir werden uns gegenüber entwickelten Ländern als weniger unterlegen fühlen. Viele weiße Südafrikaner denken immer noch, dass die Entwicklungsländer zu den entwickelten Ländern hochblicken müssen. Aber wenn ich mit Ausländern rede oder sogar mit Südafrikanern, sind alle wirklich beeindruckt, wie dieses Turnier verlaufen ist. Das wird sich positiv darauf auswirken, wie wir Südafrikaner über uns denken.

INTERVIEW: ELENA BEIS