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Archiv-Artikel

Ausdauerndes Schweigen

Die brasilianische Öffentlichkeit sucht nach den Schuldigen für das WM-Aus

PORTO ALEGRE taz ■ „Argentinien draußen!“, hatte das Fachblatt Lance noch am Samstag gejubelt, und: „Adieu, Zizou!“ getitelt. Doch als tausende auf der Goethe-Straße, der Fanmeile von Porto Alegre, das Viertelfinale gegen Frankreich vor einer Großleinwand verfolgten, kippte die Zuversicht mit dem Abpfiff in blankes Entsetzen um.

Am schlimmsten sei die Passivität von Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira gewesen, der nur auf die etablierten Spieler setzte: „Der ist der Hauptschuldige“, lautete das einmütige Urteil der Zuschauer, die sich nach der Niederlage leise weinend, mit hängenden Köpfen und fast schweigend auf den Heimweg machten. Geradezu unheimlich war die Stille auf den Straßen: Verliert Grêmio Porto Alegre oder Rivale Internacional ein wichtigtes Spiel, dann feiert zumindest die Gegenseite mit Gehupe und Böllern.

Ein schwacher Trost bleibt den Bewohnern des südbrasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul: Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari stammt aus Passo Fundo, einer Provinzstadt im Landesinneren. „Er muss uns jetzt rächen“, fordert der 78-jährige Friseur Adagir Gabriel, ein Cousin von „Felipão“.

„Es ist nicht die Stunde der Erklärungen“, ließ der einheimische Schriftsteller und WM-Kolumnist Luis Fernando Veríssimo verlauten, „es ist die Stunde, Zidane zu ehren“. Damit ist er in der Minderheit: Nachdem die meisten Medien die Hurra-Stimmung im Lande nach Kräften geschürt hatten, erinnern sie jetzt an die Fehler, etwa die Vermarktungssstrategie des brasilianischen Fußballbundes, die Spieler im Vorfeld „wie dressierte Tierchen“ zu präsentieren.

Nur die Folha de São Paulo hatte den Stil der Gelb-Grünen schon seit Wochen als „bürokratischen Fußball“ gegeißelt. „Wer das schöne Spiel zurückweist, hat alle Strafen verdient“, schrieb nun Kolumnist Juca Kfouri. Kollege José Geraldo Couto erinnerte an die Arroganz des „angeblich scharfsinnigen“ Nationalcoachs Parreira, der verkündet hatte, die Brasilianer müssten sich nicht um die Gegner kümmern. Und Tostão, als Spieler dabei beim Titelgewinn 1970, war „traurig“ und „aufgebracht“: „Brasilien ist draußen. Es ist vorbei. Aber der Fußball geht weiter“. GERHARD DILGER