: Bei Fehlprognose kurze Hose
Wetterprophet Peter Scheidl aus Pfuhl bei Neu-Ulm liegt manchmal auch voll daneben
Jetzt, im Sommer, ist Peter Scheidl meist recht entspannt. Dann zumindest, wenn seine Vorhersagen zutreffen und die Brautpaare, die ihn um Rat gefragt haben, die Bauern, die Draußen-Geburtstage-Feierer und Schulklassen zufrieden sind. Manchmal aber sieht man den 65-jährigen „Wetterpropheten“ bei regnerischem Wetter trotzig in kurzen Hosen durch sein Heimatdorf Pfuhl radeln. „Das macht er dann, wenn seine Prognosen mal nicht zutreffen“, sagt seine Frau Renate. Täglich bekommt der Beobachter der Wolken jede Menge Post und das freut den Mann, der in seiner aktiven Berufszeit EDV-Experte war.
Doch für seine intensiven Wetterbeobachtungen braucht Peter Scheidl keinen Computer, sondern viel, viel Geduld, einen Block, einen Stift und das Thermometer und Hygrometer auf seiner Terrasse. Und er braucht vor allem einen scharfen Blick. Der ist mit das Wichtigste bei seiner aufwändigen Tätigkeit, die sich vor allem in den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und Neujahr abspielt. „Wissen Sie, das war schon im Brockhaus-Konversationslexikon von 1894 nachzulesen, dass den Zwölf Nächten bezüglich der Wetterprophezeihung eine höhere Bedeutung zugeschrieben wird“, erklärte der gebürtige Allgäuer.
Für ihn heißt es während der Zwölf Nächte, die auch Rauh- oder Rauchnächte genannt werden, schreiben, beobachten und stündlich raus ins Freie. Jede Stunde wird in der Zeit vom 25. Dezember um 0 Uhr bis zum 5. Januar um 24 Uhr das Wetter genauestens beobachtet.“ In diesen Tagen komme ich höchstens mal stundenweise zum Schlafen“, erklärt der Himmelsbeobachter. „Ab und zu übernehmen mal in der Nacht meine Frau oder meine Söhne für zwei Stunden das Ablesen, aber meist stehe ich selbst draußen und schau mir das an.“
Da steht er also draußen auf der Terrasse, vor sich hat er seinen dicken Notizblock, alles wirkt zunächst fast etwas nüchtern-buchhalterisch. Temperatur, möglicher Niederschlag, die Wolkenlage und der Wind werden notiert. Jeder der zwölf Tage zwischen den Jahren steht für einen Monat des kommenden Jahres.
Schon als Schuljunge hat Peter Scheidl von seinem Vater die Kunst der Wetterbeobachtung erlernt und dieser wiederum von seinem Vater. „Der war von Beruf Herrschaftsgärtner und Jäger, also ein richtiger Naturbursche.“ Stolz zeigt der Wetterpropheten-Nachfahre ein altes Schwarzweißfoto des Herrschaftsgärtners. Nicht weniger stolz ist er auf die Berge von Zuschriften, die er im Laufe der Jahre bekommen hat und die in prall gefüllten Schuhkartons aufbewahrt sind.
Eine Schulklasse aus der Nähe von Koblenz hat geschrieben, dort war der Pfuhler Wetterspezialist bereits Unterrichtsinhalt.
Es gibt freilich nicht nur Volltreffer und Dankesbriefe. In der Lokalzeitung musste Peter Scheidl einmal lesen, dass man jemanden für eine solche Fehlprognose, wie er sie abgegeben hat, im Mittelalter geteert und gefedert hätte. „Das war beim Jahrhundertsommer 2003, den ich – das muss ich ganz offen gestehen – so nicht vorhergesehen habe.“ Aber dennoch: „Im Schnitt treffen meine Vorhersagen zu 75 bis 80 Prozent zu, im Jahr 2005 waren es sogar 90 Prozent.“ Aber manchmal liegt der nimmermüde Wetterbeobachter eben auch daneben.
„Das Problem“, erklärt er, „ist, dass ich das Winterwetter übertragen, oder wenn Sie so wollen, übersetzen muss auf die jeweilige Jahreszeit. Wenn es am 31. Dezember schneit, dann heißt das natürlich nicht, dass es im Juli, also dem Monat, dem der siebte Tag der Rauhnächte zugerechnet wird, auch schneit. Dann ist das eben Regen.“ Noch etwas verwirrender für Nicht-Wetterpropheten ist es, wenn Scheidl die Umrechnung der 24 Stunden eines jeden Rauhnachttages auf die 30 oder 31 Tage des jeweiligen Monats erklärt. Aber damit muss sich seine „Fangemeinde“ nicht herumschlagen.
Bauunternehmer und Landwirte von der Schwäbischen Alb gehören genauso zu den Scheidl-Fans wie eine Hüttenwirtin im Allgäu, zahlreiche Bekannte und Freunde, Urlauber aus dem hohen Norden und aus fast allen Bundesländern. Sie alle warten im Januar schon immer sehnsüchtig auf den Wetterbrief aus Pfuhl. Der Preis dafür: ein frankiertes Kuvert und ein Lächeln!
Für den Juni hatte Peter Scheidl mit seiner Vorhersage, dass sich dieser Monat sehen lassen kann, bereits gewonnen. Und was das Wetter für den Rest des Jahres angeht, da meint er, dass der Juli mit Regen beginnt, sich dann aber noch zum Sommermonat steigern wird. Der August beschert uns gutes Sommerwetter, das noch in den September hineinreicht. Aber der „goldene Oktober“ strahlt nicht so wie im vergangenen Jahr, der November wird trüb und windig und „Weiße Weihnachten“ gibt es nur in den Bergregionen. KLAUS WITTMANN