piwik no script img

Archiv-Artikel

Die Wut der Bürger ebbt nicht ab

GEWALT Nach erneuter Polizeigewalt gehen wieder Zehntausende Ukrainer auf die Straße. Unter den Opfern: ein ehemaliger Minister, der schlichten wollte

KIEW dpa/taz | Die Protestbewegung in der Ukraine könnte neuen Auftrieb bekommen: Am Sonntag versammelten sich in der Hauptstadt Kiew erneut 50.000 Demonstranten, um gegen die Regierung von Wiktor Janukowitsch zu demonstrieren. Mit ein Auslöser für die Kundgebung war das gewaltsame Vorgehen von Mitgliedern der Sondereinheit Berkut gegen Demonstranten am vergangenen Freitagabend in Kiew.

Dabei war auch der Oppositionspolitiker und frühere Innenminister Juri Luzenko verletzt worden. Das Innenministerium teilte mit, 20 Sicherheitskräfte seien bei den Zusammenstößen ebenfalls verletzt worden.

Luzenko, ein Vertrauter der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko habe eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde sowie Blutergüsse erlitten, sagte seine Ehefrau Irina. Widersprüchliche Angaben gab es darüber, ob der 49-Jährige die Intensivstation einer Kiewer Klinik verlassen habe. Auch vier Demonstranten lagen am Sonntag noch im Krankenhaus.

Luzenko habe zwischen Nationalisten und Mitgliedern der Einheit Berkut vermitteln wollen, sagte seine Frau. Dabei sei er von Polizisten auf den Kopf geschlagen worden. Luzenko war im Dezember 2010 verhaftet und in einem umstrittenen Verfahren wegen Amtsmissbrauchs verurteilt worden. Im April 2013 hatte ihn Präsident Wiktor Janukowitsch begnadigt und aus der Haft entlassen.

Die Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko verurteilte den Polizeieinsatz scharf. Hingegen machte die regierende Partei der Regionen von Präsident Wiktor Janukowitsch Provokateure aufseiten der nationalistischen Oppositionspartei Swoboda (Freiheit) verantwortlich.

Die Swoboda-Anhänger hatten am Freitagabend gegen die Verurteilung von drei Ultranationalisten zu je sechs Jahren Haft protestiert und versucht, das Gerichtsgebäude zu blockieren. Die Männer hatten 2011 einen Anschlag auf eine Lenin-Statue im Ort Borispol bei Kiew geplant. Unterdessen leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs, aber auch mehrere Verfahren gegen Demonstranten ein.