: NRW kann Staat machen
Die Landesregierung kann nach der Föderalismusreform mehr Gesetze verabschieden, zum Beispiel zur Beamtenbesoldung und zum Strafvollzug. Politologe: „Reform ist erst der Anfang“
VON KLAUS JANSENUND MARTIN TEIGELER
Berlin beglückwünscht Düsseldorf zu mehr Macht. Für Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sind die Landtage die Gewinner der Föderalismusreform. Ihre Bedeutung werde zunehmen, sagte Lammert gestern bei einem Besuch des Düsseldorfer Landtags. Durch die vom Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderungen erhielten die Länder mehr Gesetzgebungskompetenzen, die die Landesparlamente nun ausfüllen müssten.
Der NRW-Landtag sei gut auf den Kompetenzzuwachs vorbereitet, sagte die Düsseldorfer Parlamentspräsidentin Regina van Dinther (CDU). Der Landtag könne künftig mehr eigene Akzente setzen und werde wohl seltener auf bundespolitische Themen ausweichen. Die Landtage müssten auch in die Verhandlungen über die zweite Stufe der Föderalismusreform, bei denen es um die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern geht, einbezogen werden, forderte van Dinther.
NRW-FDP-Generalsekretär Christian Lindner empfiehlt der Landesregierung, den Grundgesetzänderungen im Bundesrat zuzustimmen. Zuvor hatte die FDP-Bundestagsfraktion die Reform abgelehnt. Zwar sei „aus Sicht der reinen Lehre“ manches Detail kritikwürdig, aber im Ganzen sei die Reform besser als keine, so Lindner: „Die neu gewonnenen Zuständigkeiten im Beamten- und Umweltrecht, bei der Wohnbauförderung sowie beim Ladenschluss sollte der Landtag dann zügig für einen spürbaren Bürokratieabbau in diesen Politikfeldern nutzen.“
Schnell handeln will die schwarz-gelbe Koalition offenbar beim Thema Strafvollzug. „Es liegen Pläne in der Schublade“, bestätigte ein Sprecher des NRW-Justizministeriums gestern auf taz-Anfrage. „Wenn die Länder die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund übertragen bekommen, wird Nordrhein-Westfalen die im geltenden Bundesrecht enthaltenen bewährten Behandlungs- und Resozialisierungsstandards für Strafgefangene fortentwickeln“, hatte Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) bereits im Vorfeld der Bundestagsentscheidung gesagt. „Einschränkungen der Behandlungsmaßnahmen im Vollzug wie etwa die schulische und berufliche Qualifizierung“ werde es in NRW nicht geben. Behandlung und Resozialisierung von Strafgefangenen hätten in NRW ein „anerkannt hohes Niveau“, so die Ministerin. „Daran wird sich nichts ändern. Im Gegenteil. Wir werden es noch weiter steigern.“
Versuchskaninchen für die neuen Freiheiten Nordrhein-Westfalens könnten die Beamten werden. Erstmalig sind die Länder für die Besoldung ihrer Staatsdiener allein zuständig – große Gehaltserhöhungen dürften mit Finanzminister Helmut Linssen (CDU) noch weniger zu machen sein als mit dem Bund. „Die Föderalismusreform hat das Böse gebracht, das wir befürchtet haben“, sagt Ralf Eisenhöfer, Chef des NRW-Beamtenbunds. „In den Ländern entstehen jetzt 16 verschiedene Besoldungsordnungen – das ist Bürokratieaufbau statt Bürokratieabbau.“
„Diese Föderalismusreform ist erst der Anfang“, sagt der Politikwissenschaftler Klaus Schubert von der Universität Münster. Die Grundgesetzänderungen brächten auch dem Land Nordrhein-Westfalen mehr Kompetenzen. „Die Gefahr der Kleinstaaterei sehe ich nicht“, so Schubert. Vielmehr schaffe die Reform „mehr Differenzierung“ innerhalb Deutschlands. „Gerade mittel- und langfristig ist diese Reform wichtig“, sagt der Politikforscher. Je mehr Gesetzgebungskompetenzen auf die EU übergingen, desto wichtiger sei es, dass die einzelnen Länder und Regionen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten eigene Lösungen finden können. „NRW muss diese Reform und die neuen Kompetenzen in der Bildungspolitik nutzen, um sich als Bildungsstandort zu profilieren.“