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Archiv-Artikel

Letzter Auftritt für müde Helden

KLEINES FINALE Die einen wollen unbedingt, die anderen lieber nicht: Vor dem heutigen Spiel um den ungeliebten dritten Platz offenbart die DFB-Auswahl heftige Motivationsprobleme – im Gegensatz zum Gegner aus Uruguay

AUS ERASMIA MARKUS VÖLKER

Sie wollten sieben Spiele. Sieben haben sie bekommen. Das letzte Match hätte die DFB-Auswahl allerdings gern in Soccer City bestritten, in jener Arena, die man neben die Abraumhalden der alten Goldminen im Süden Johannesburgs gesetzt hat. Doch die DFB-Elf muss ihr siebtes und letztes Spiel heute in Port Elizabeth austragen. Sie mussten noch einmal die Sachen packen, noch einmal in den Flieger steigen und sich dann auf eine Partie einstellen, die keiner so recht will. Das Spiel um Platz drei gegen Uruguay (20.30, ARD) ist für das ambitionierte Team um den derzeit grippekranken und von Schüttelfrost geplagten Bundestrainer Joachim Löw zu einer Pflichtaufgabe verkommen.

„Wir wollen eine tolle WM versöhnlich abschließen“, sagte Co-Trainer Hans-Dieter Flick, „aber das große Ziel ist letztendlich geplatzt.“ Gegen Uruguay solle ein Sieg her, sagte Flick, das sei man den Fans schuldig, aber diese Sätze klangen wie einstudiert. „Frische Kräfte könnten sich zeigen“, sagte Oliver Bierhoff, der Teammanager. Philipp Lahm, der auch unter einem Infekt leidet, hatte am Donnerstag geklagt: „Ich habe überhaupt keine Lust auf das Spiel.“ Man sieht den müden Kickern an, dass sie lieber heute als morgen abreisen würden, aber das Reglement der Fifa zwingt sie zu einem letzten Auftritt.

Nur für den leicht angeschlagenen Miroslav Klose und den im Halbfinale gelbgesperrten Thomas Müller könnte das kleine Finale einen Mehrwert haben, denn für sie geht es noch um den Goldenen Schuh des besten WM-Torschützen. Müller wird wohl ohnehin zum besten Nachwuchsspieler gewählt. Für alle anderen gilt: Zähne zusammenbeißen und durch. Vielleicht könne die Elf noch einmal „erfrischenden Fußball“ zeigen, sagte Bierhoff gestern.

Vor vier Jahren war die Enttäuschung nach dem Halbfinal-Aus gegen Italien zwar ähnlich groß, aber die Mannschaft konnte sich ganz unmittelbar berauschen an der euphorisierten Masse. Die begeisterten Fans dienten der DFB-Auswahl als Motivatoren. So war es ziemlich leicht, sich aufs Match gegen Portugal einzustellen. Es sollte ein prima Fußballspiel werden. Der Abschluss der WM-Expedition wurde auf der Fanmeile in Berlin gefeiert, aber diesen Ausflug schenken sich die Kicker diesmal, denn sie hätten sich nur mit dem WM-Pott oder zumindest als Finalisten am Brandenburger Tor präsentieren wollen – sagen sie.

„Mit dem dritten Platz sind wir nicht so zufrieden“, meinte Flick, als sei das Team schon im Besitz der Bronzemedaille, „wir waren jetzt neun Wochen zusammen, man muss den Spielern jetzt auch ihren Urlaub zugestehen.“ Die Frage sei aber erlaubt, ob es angesichts neuer Rekordeinschaltquoten (in der Spitze 32,88 Millionen), voller Fanmeilen, der Erfindung des „undeutschen“ Kombinationsspiels und des Verkaufs von 1,2 Millionen DFB-Trikots nicht angebracht gewesen wäre, sich in Deutschland zu präsentieren.

Die Spieler Uruguays, die lange warten mussten auf diesen Vorstoß in die Weltelite des Fußballs, sehen Spiel sieben als Chance, nicht als Last. „Wir müssen unsere Fahne so hoch wie möglich halten und so spielen, als wäre es ein Finale“, sagt Mittelfeldspieler Alvaro Pereira: „Die WM ist noch nicht vorbei.“ Noch nie war der Weltmeister von 1930 und 1950 WM-Dritter. 1954 reichte es wie 1970 nur zu Platz vier. „Es ist nicht das Gleiche, ob du Dritter oder Vierter wirst“, sagt Sebastian Abreu, „wenn man vor dem Turnier eine Umfrage durchgeführt hätte, wären wohl alle froh gewesen, um Platz drei spielen zu dürfen.“