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Archiv-Artikel

„Die Regierung liegt richtig“

Hohe Steuern führen zu Unternehmensverlagerung ins Ausland, sagt Steuerexperte Stefan Bach. Doch der internationale Wettlauf um niedrigere Steuern sei bald zu Ende

taz: Herr Bach, Konzerne tragen in Deutschland weniger zum allgemeinen Steueraufkommen bei als in anderen Ländern. Warum wollen Union und SPD die großen Unternehmen dann noch zusätzlich entlasten?

Stefan Bach: Die tatsächliche Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland kennt niemand genau. Weder das Bundesfinanzministerium noch internationale Organisationen haben genaue Zahlen. In den gesamtwirtschaftlichen Statistiken kann man zum Beispiel Konzerne und Mittelstand nicht richtig auseinander halten.

Die Kritiker, die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eine ungerechtfertigte Begünstigung der Konzerne vorwerfen, liegen also falsch?

Möglicherweise ja. Diese Leute haben aber das gleiche Problem wie der Sachverständigenrat oder die wirtschaftsnahen Experten der Stiftung Marktwirtschaft. Die glauben, die Unternehmen seien viel zu stark belastet. Aber auch das ist nicht klar, jedenfalls spricht das schwache Steueraufkommen der Körperschaftsteuer der letzten Jahre dazu eine andere Sprache.

Warum lässt die Bundesregierung dann nicht einfach alles beim Alten?

Was wir sicher wissen, ist: Die nominellen Steuersätze in Deutschland sind mittlerweile die höchsten in Europa. Während eine Aktiengesellschaft bei uns rund 39 Prozent Steuer auf ihren Gewinn zahlt, sind es in Schweden nur 28 Prozent. Der deutsche Steuersatz reizt die Unternehmen unwiderstehlich dazu an, ihre Gewinne nicht bei den Finanzämtern in Frankfurt oder München zu erklären, sondern in Stockholm, Dublin oder London.

Stimmt diese These denn – wegen der vielen Löcher im bundesdeutschen Steuerrecht für Konzerne zahlt doch kein Unternehmen mehr die nominellen Sätze?

Die Schlupflöcher gleichen die belastende Wirkung der hohen Steuersätze vermutlich nicht aus. Außerdem verzerren diese Spielchen die unternehmerischen Entscheidungen und kosten viel Geld für Steuerberater. Von daher liegt die Bundesregierung richtig mit ihrer Absicht, den Steuertarif zu senken.

Werden unsere europäischen Nachbarn als Reaktion auf die deutsche Reduzierung ihre eigenen Steuern nicht abermals verringern – am Ende hätten dann alle weniger in den Staatskassen?

Nein, der internationale Wettbewerb um Steuersenkungen ist zu einem gewissen Abschluss gekommen. Im Ausland beschwert sich kaum noch ein Unternehmen über zu hohe Steuern.

Die österreichische Regierung ist schnell bei der Hand, wenn es darum geht, die Abgaben für Unternehmen zu verringern.

Das war sie früher. Wegen der geografischen Nähe zu Niedrigsteuer-Ländern wie der Slowakei ist Österreich ein Spezialfall. Aber selbst in Ländern Osteuropas gibt es mittlerweile Linksregierungen, die ihr Heil nicht mehr nur in Steuersenkungen sehen.

Woher soll der Staat sein Geld nehmen, wenn die Steuern für Unternehmen und Wohlhabende sinken?

Dafür gibt es die Einkommensteuer.

Müsste diese Steuer erhöht werden – wie etwa in Skandinavien?

Das versucht die Bundesregierung ja mit der Reichensteuer – obwohl die nicht viel in die Kasse bringt. Von alters her gilt in der Steuerpolitik: Die Masse füllt die Kasse. Daher muss man schon bei deutlich niedrigeren Einkommen einsteigen. Oder gleich einen Aufschlag auf alle Bruttoeinkommen erheben – eine Art neuer Gesundheitsteuer. Das wäre fast schon eine Flat-Tax, wie der umstrittene CDU-Steuerexperte Paul Kirchhof sie einst vorschlug. INTERVIEW: HANNES KOCH