Die Würde des Rechtsstaats in Wandsbek

PROZESS Amtsgericht spricht zwei Beschuldigte frei, weil ihm die Ermittlungsmethoden der Polizei zweifelhaft erscheinen. Falsche Handwerker arbeiten schwarz und schicken falschen Steuerbeamten

Die Täter gaukelten einem älteren Ehepaar vor, ihr Dach müsse repariert werden

„Ein denkwürdiger Vormittag im Amtsgericht Wandsbek“ sei es gewesen, sagt der Anwalt von Timo L. nach über drei Stunden Verhandlung am Freitagmittag. Und das in Tagen, wo die Hamburger Justiz in den Medien gerne als „Saustall“ bezeichnet werde. Der Anwalt ist Uwe Maeffert, jener Maeffert, der Marianne Bachmann und Monika Böttcher verteidigt hat und der vor Gericht wegen seiner hartnäckigen Art gefürchtet ist.

Aber mit dem Denkwürdigen hat Maeffert wohl recht, denn die beiden Angeklagten, die Brüder Timo und Ingo L., 41 und 43 Jahre alt, werden vom Vorwurf des schweren Betrugs freigesprochen. Auch die Staatsanwältin fordert den Freispruch, mangels Beweisen, und das ist der eigentliche Punkt an diesem heißen Vormittag im Amtsgericht Wandsbek.

Timo und Ingo L. wurde vorgeworfen, im Januar 2008 mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter bei dem älteren Ehepaar H. geklingelt und ihm vorgegaukelt zu haben, das Dach müsse dringend repariert werden. Das Paar glaubte ihnen, die Frau fuhr direkt zur Bank, um die 3.800 Euro abzuheben, die das Ganze kosten sollte – schwarz, mit Rechnung hätte man 5.000 Euro von ihnen verlangt. Später stellte sich heraus, dass die angeblichen Handwerker ein Stück aus der heilen Dachisolierung herausgeschnitten und anschließend wieder hineingeflickt hatten.

Damit nicht genug. Eine Woche später klingelte ein angeblicher Finanzbeamter beim Ehepaar H. und forderte 6.500 Euro, sonst käme ein Strafverfahren wegen illegaler Beschäftigung auf sie zu. Da rief das Ehepaar die Polizei und bei einer Scheinübergabe wurde der angebliche Finanzbeamte W. gefasst. Und dort kamen auch die Brüder L. ins Spiel, denn W. bewegte sich bei seiner Festnahme in Richtung eines Autos, in dem die Brüder saßen. Daraufhin wurden sie festgenommen – und ihre Fotos von der Polizei in einer Lichtbildvorlage, so nennen es die Juristen, dem Ehepaar gezeigt.

Herr H., der inzwischen verstorben ist, hat laut Polizeiprotokoll den einen Angeklagten zu 70 Prozent wiedererkannt. Frau H. zu 50 Prozent. Woher diese Zahlen stammten, will Anwalt Maeffert von dem Polizisten wissen und als sich herausstellt, dass die Zeugen diese Zahlen nicht von sich aus geäußert haben, sondern dies eine Hilfsformulierung des Beamten ist, lässt Maeffert wenig von ihm übrig. Zumal Frau H. beim Blick in den Saal den Vater eines der Angeklagten als einen der Täter wiederzuerkennen glaubt – aber auch da ist sie sich nicht sicher.

„Das natürliche Bedürfnis, den Täter zu finden“, wird der Verteidiger im Plädoyer sagen, „darf nicht dazu führen, die Anforderungen an den Zeugenbeweis herabzusetzen“.

Bei einem Prozess, bei dem die Anklage erst nach einem Jahr erhoben wird und erst im folgenden Jahr verhandelt wird, weil man sich um die Zulassung eines Rechtsbeistands streitet, ist es schwer, diesen Prozess als Sternstunde der Justiz zu betrachten. Der Richter formuliert es ohnehin viel nüchterner. Das Urteil sei ein Ergebnis, dass zu einem Rechtstaat gehöre und dann setzt er hinzu: „das eines Rechtsstaats würdig ist“, und damit hat er wohl recht. Und zum Schluss sagt er noch in die Runde der Angeklagten, ihrer Familie und der Presse, dass man über alldem nicht vergessen solle, dass dieser Betrug eine „Riesen-Sauerei“ gewesen sei. FRIEDERIKE GRÄFF