Das Exempel

ZORN Die Journalistin Khine Khine Aye Cho wurde ins Gefängnis gesteckt. Ist es schon wieder vorbei mit den erst jüngst gewonnenen Freiheiten für die Presse in Myanmar?

Journalisten dürfen, so heißt es im neuen Presserecht, nicht „die Herrschaft des Gesetzes“ verletzen. Das lässt viel Raum für Interpretationen

VON ANDREAS LORENZ

Myanmars neue Pressefreiheit ist brüchig. Das zeigt der Fall der Journalistin Khine Khine Aye Cho, die unter dem Namen Ma Khine schreibt. Das Stadtgericht von Loikaw verurteilte sie Mitte Dezember 2013 zu drei Monaten Gefängnis. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch, der Gebrauch obszöner Sprache und Verleumdung. Ma Khine berichtet aus dem Karenni-Staat im Nordosten Myanmars für den privaten Medienkonzern Eleven Media. Er veröffentlicht eine Tageszeitung und ein Wochenjournal. Die Karenni sind eine Minderheit, viele von ihnen Christen.

Offenbar war Ma Khine während einer Recherche Mitte Oktober vorigen Jahres mit der Anwältin Aye Aye Phyo aneinandergeraten. Verärgert über die Fragen, zeigte die Juristin die Journalistin an. Das harsche Urteil bewegt seither Journalisten und Bürgerrechtler in Myanmar. In der Hauptstadt Yangon demonstrierten rund 200 Kollegen und Studenten gegen die Bedrohung der Pressefreiheit. Ein Plakat trug die Aufschrift: „Das Recht auf Information ist der Kern der Demokratie.“

Auch in der zweitgrößten Stadt des Landes, Mandalay, wollten Journalisten protestieren. Dort verbot die Regierung allerdings eine Demonstration. Der Verkehr könnte gestört und Konflikte könnten geschürt werden, hieß es.

„Das Urteil ist ungerecht“, sagt Myint Kyaw, Generalsekretär des Myanmar-Journalisten-Netzwerkes gegenüber der Webseite The Irrawaddy. „Das Strafrecht wurde auf eine Journalistin angewandt, die nur ihren Beruf ausübte. Das verstößt gegen das Recht der freien Berichterstattung.“ So drängt sich bei vielen Journalisten der Verdacht auf, dass die Richter in Loikaw ein Exempel statuieren wollten. Kurz zuvor hatte das Magazin Eleven Media einen Artikel über korrupte Richter veröffentlicht: „Wenn Geldsäcke Richter ersetzen.“

Viele Berichterstatter fürchten, das Urteil gegen Ma Khine könne der Anfang vom Ende einer erfreulichen Entwicklung sein. Soweit bekannt, kam mit ihr zum ersten Mal eine Journalistin hinter Gitter, seitdem der frühere General Thein Sein die neue Zivilregierung führt. Unter ihm erlebt Myanmar bislang ungeahnte Freiheiten, von denen auch Presse und Rundfunk profitieren.

Vergangen sind die Zeiten, in denen Zensoren in Uniformen die Inhalte von Artikeln überwachten und die Regierungszeitung The New Light of Myanmar schmierige Propaganda über die Leser ausgoss. Thein Sein kippte die Zensur und erlaubte private Zeitungen und TV-Sender; für Dutzende von Journalisten öffneten sich die Gefängnistore, andere kehrten aus dem Exil zurück.

Das Informationsministerium existiert jedoch noch, seine Zensoren kontrollieren nach wie vor die Medien – und erteilen Rügen. Die meisten privaten Publikationen pflegen enge Verbindungen zu Mittelsmännern des Militärs, berichten Journalisten.

Das Parlament hat inzwischen ein – vom Ministerium entworfenes – neues Presse- und Publikationsgesetz verabschiedet. Darin behält sich die Regierung vor, Lizenzen zu erteilen und zu entziehen. Journalisten dürfen, so heißt es, nicht „die Herrschaft des Gesetzes“ verletzen. Das lässt viel Raum für Interpretationen.