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SICHERHEIT Bürgerinitiativen wehren sich heftig gegen die Verpressung von Kohlendioxid unter die Erde. Die Industrie will das Risiko vor allem auslagern

Von IA
CCS und Klimawandel

■ „Carbon Capture and Storage“, kurz CCS, ist eine Technik, mit der das Klimagas CO2 aus Abgasen abgespalten werden kann. Kohlekraftwerke werden dadurch 75 bis 100 Prozent teurer, zudem müssen sie rund ein Viertel ihrer Energie darauf verwenden, das CO2 abzuspalten. Die EU fordert eine europaweite Einführung der Technik schon seit mehreren Jahren.

■ Die Grafik zeigt Szenarien der Internationalen Energieagentur IEA über die künftige Energieversorgung der Welt. Die IEA ist in ihren Prognosen besonders unter Umweltverbänden umstritten, gilt aber international als Referenz für politische Entscheidungen.

■ Der Grund für CCS findet sich in den Prognosen über die Verwendung der Kohle: Deren Nutzung steigt im von der IEA als wahrscheinlich angenommenen Szenario bis zum Jahr 2035 weiter an. Damit wäre das globale Ziel, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, nicht einzuhalten. Für Kritik sorgt auch der prognostizierte steigende Anteil der Atomkraft.

■ Das 450-Szenario beschreibt den Energiemix, der weltweit laut IEA nötig ist, um das 2-Grad-Ziel einzuhalten. 450 steht für die maximale Konzentration von Kohlendioxid in der Luft, die nicht überschritten werden soll. Umweltverbände kritisieren, dass die IEA den Anteil der erneuerbaren Energien regelmäßig zu niedrig einschätzt und die Kosten für fossile Energieträger wie Öl unterschätzt. (ia)

BERLIN taz | In Deutschland ist CCS schon im Versuchsstadium auf großen Widerstand gestoßen. Bürgerinitiativen fürchten Umweltschäden, wenn CO2 ins Erdreich gepresst wird. Vattenfall etwa hat seine Pläne, mit dem brandenburgischen Braunkohlekraftwerk Jänschwalde das Verfahren großtechnisch einzusetzen, auf Eis gelegt, erprobt die Technik aber weiter in der Pilotanlage Schwarze Pumpe. Bis August 2013 ist CO2 in Ketzin, 40 Kilometer westlich von Berlin, (siehe Bild) mehr als 600 Meter tief in die Erde gepresst worden, um zu testen, ob diese Form der Lagerung sicher ist.

Momentan gilt in Deutschland ein CCS-Gesetz, das es Bundesländern ermöglicht, CCS auf ihrem Gebiet zu verbieten – was etwa Schleswig-Holstein getan hat, aber Brandenburg nicht. Die große Frage, die viele umtreibt, ist: Bleibt das CO2 im Boden? Und was passiert, wenn nicht?

Für den BUND ist das größte Problem, dass Grundwasser flächendeckend verschmutzt werden könnte. Zwar besteht die Möglichkeit, CO2 in ehemalige Erdöllagerstätten zu pressen, was auch schon seit Jahrzehnten gemacht wird, um mehr des wichtigen Rohstoffs an die Oberfläche zu bringen. Allerdings, sagen selbst CCS-Befürworter, gibt es davon zu wenige. Deshalb will die EU unter anderem eine Kartierung sämtlicher möglicher Gesteinsformationen – vor allem Sandsteinschichten, die Salzwasser enthalten. Das könnte durch zunehmenden Druck nach oben steigen und das saubere Grundwasser verschmutzen.

Das ist laut Industrie zwar extrem unwahrscheinlich – allerdings wohl nicht so unwahrscheinlich wie gemeinhin angenommen. Einer ihrer Organisationen, die Zero Emission Plattform, etwa geht auf taz-Anfrage der Frage aus dem Weg, ob die öffentliche Hand einen Teil der Haftung übernommen soll. Das allerdings fordern Industrieverbände – das EU-Parlament nimmt das in seinem jüngsten Beschluss zu CSS zur Kenntnis. Der Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), lehnt den Bericht des EU-Parlaments rundweg ab, der am Dienstag verabschiedet worden ist (siehe Text oben). „Großflächige Umweltschäden, Gesundheitsgefahren, Störfälle und die Ablehnung von CCS in der Bevölkerung werden schlichtweg negiert oder relativierend in einzelne Nebensätze verbannt“, ärgert sich der BBU-Geschäftsführer Oliver Kalusch.

Der Beschluss des Parlaments ist nur eine Empfehlung an die Kommission und hat keine gesetzgebende Kraft – immerhin wird den EU-Mitgliedsländern offen gehalten, auch andere Wege zu gehen, um ihren CO2-Ausstoß zu mindern. IA