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Archiv-Artikel

Kritisierte Reform

Von UWI

BERLIN taz ■ Die Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform, die die Koalitionsspitzen in der Nacht von Sonntag auf Montag beschlossen haben, werden über den Sommer in einen Gesetzentwurf gefasst. Diese Zeit werden Politiker wie Lobbys noch nutzen, Einzelpunkte zu ihren Gunsten zu drehen. Das Gesetzesbündel soll erst 2008 in Kraft treten – auch dadurch ergibt sich Spielraum. Allerdings erklärte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, nur „Details“ stünden nun noch zur Debatte. Elemente wie etwa die „kleine Kopfpauschale“ aber seien kein Detail.

Die Krankenkassen konzentrierten ihre Kritik gestern auf das Kernstück der Reform, den „Gesundheitsfonds“. Die Kassen-Spitzenverbände bezeichneten ihn als „ökonomisch und sozialpolitisch unsinnig“.

Der Fonds soll wirken wie ein gigantischer Geldtopf. In ihn werden die auf einem bestimmten Niveau eingefrorenen Beiträge von Arbeitgebern und Versicherten fließen. Heraus fließen für die Kassen einheitliche Beträge für die Versicherten, die aber deren Krankheitsrisiko angepasst werden. Kommt eine Kasse nicht klar, kann beziehungsweise muss sie einen Zusatzbeitrag oder eine kleine Kopfpauschale nehmen. Diese Zusatzforderung darf 1 Prozent des Haushaltseinkommens der Versicherten nicht überschreiten. 95 Prozent der Kosten sollen immer aus dem Fonds gedeckt werden. Erreichen die Zusatzbeiträge oder -pauschalen aller Kassen zusammen 5 Prozent der Gesundheitskosten, springt der Fonds an: Dann werden die Beiträge – laut Koalitionspapier ausdrücklich auch für die Arbeitgeber – erhöht.

Für 2007 aber sehen die Koalitionäre erst einmal wie gehabt eine Erhöhung der Kassenbeiträge um 0,5 Prozentpunkte vor – auf ein Durchschnittsniveau von dann 14,7 Prozent. Die Kassen wiesen gestern darauf hin, dass Beitragserhöhungen keine „politische Maßnahme“ seien. Vielmehr müssten die Kassen die Beiträge hochsetzen, „weil die Politik keine Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzgrundlagen ergreift“. Und übrigens seien die 0,5 Prozentpunkte bestimmt nicht ausreichend.

Doch auch Privatversicherungs-, Krankenhaus- wie Pharmaverbände standen gestern auf den Barrikaden. Die Privatversicherungen wollen gegen die Regelung, wonach Versicherte das für sie „ersparte“ Kapital mitnehmen können, klagen. Die Krankenhäuser protestieren dagegen, dass ihnen 1 Prozent – das sind rund 500 Millionen Euro – der Vergütung gekürzt wird. Die Pharmaverbände protestieren gegen – allerdings schon zuvor beschlossene – Pillen-Kostendeckelungen. Nur die niedergelassenen Ärzte waren mit den ihnen zugestandenen Milliarden-Erhöhungen der Honorare durchaus zufrieden.

Die Wirtschaftssachverständigen von Bert Rürup bis Wolfgang Franz erklärten, mit den steigenden Kassenbeiträgen werde Arbeit wieder teurer, was Arbeitsplätze koste. Franz beklagte „Flickschusterei“. Das Arbeitgeberlager allerdings dämpfte seine Kritik ein wenig. Die Arbeitgeber verstehen die Einrichtung des Fonds offenbar so, dass er ein Mittel ist, den Arbeitgeberanteil dauerhaft einzufrieren.UWI