: Millionenbetrug mit Lohnfortzahlung
VERDACHT Krankenkassen wurden mit Anträgen für angeblich erkrankte Arbeitnehmer in großem Stil betrogen. Die Lübecker Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gewerbsmäßigen Betrugs
Mehr als 30 Krankenkassen wurden systematisch mit fingierten Anträgen auf Lohnfortzahlungen um einen Betrag geprellt, der die Millionengrenze überschreiten könnte. Davon geht die Staatsanwalt Lübeck aus, die in der Sache wegen gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt. Nach Auskunft der Staatsanwältin Dorothea Röhl stehen zwei Beschuldigte – darunter ein inzwischen fristlos gekündigter Mitarbeiter der Technikerkrankenkasse (TK) – in Verdacht, an die tausend fingierte Anträge auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) gestellt zu haben. Der NDR hatte am Mittwoch zuerst über die Ermittlungen berichtet.
Nach dem 2006 in Kraft getretenen Gesetz erhalten Betriebe mit nicht mehr als 30 Beschäftigten im Falle der Erkrankung eines Arbeitnehmers von der jeweiligen Krankenkasse bis zu 80 Prozent der Lohnkosten erstattet. Die bislang nicht geständigen Verdächtigen sollen Anträge für gar nicht erkrankte Arbeitnehmer eingereicht und die ausgezahlten Beträge auf extra dafür eingerichtete Konten geleitet haben. Allein in Schleswig-Holstein soll es sich dabei um 364.000 Euro handeln. Da das Antragsverfahren nach AAG keine besonderen Kontrollen zur Überprüfung der Anträge vorsieht, blieb dieser Betrug zunächst unentdeckt.
Inwieweit die entsprechenden Arbeitgeber involviert waren, werde derzeit noch ermittelt, sagte Röhl. Denn die Beschuldigten brauchten für die fingierten Anträge Sozialversicherungsdaten, an die ohne Mitwirkung der betroffenen Firmen nur schwer heranzukommen sei.
Die seit 2012 laufenden Ermittlungen kamen durch eine Strafanzeige der TK gegen unbekannt ins Rollen, nachdem bei internen Prüfungen Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren. Die beiden Hauptbeschuldigten sollen die Online-Anträge 2011 und 2012 gestellt haben – zum Teil für bis zu vier Jahre rückwirkend, wie es das AAG auch erlaubt. Röhl geht davon aus, dass die Ermittlungen in diesem Jahr in einer Anklage münden werden. Das Problem sei, dass jeder einzelne Betrugsfall im Rahmen des Verfahrens nachgewiesen werden müsse. Das zwingt die Ermittler bei fast tausend Anträgen für angeblich erkrankte Arbeitnehmer, vorab ganz kräftig auszusortieren. MARCO CARINI