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Archiv-Artikel

Ein Urwald wie in Brasilien

Im Nationalpark Eifel werden auf einer Fläche von 340 Fußballfeldern Nadelbäume abgeholzt: Sie sollen Platz machen für Buchen. Am Ende soll ein Urwald entstehen, wie er vor Jahrhunderten von Menschen zerstört wurde

von ELKE SILBERER

Im Nationalpark Eifel heulen die Motorsägen auf. Ein Baum nach dem anderen wird unter dem Ächzen des Stammes fallen. Den Douglasien geht es ans Holz. Die Nadelbäume sind vermehrungsfreudig. „Wir können sie nicht in Ruhe lassen“, sagt Nationalparkchef Henning Walter. Wo sich die Douglasie mit Übermacht vermehrt, hat die Buche keine Chance. Deshalb wird dem Nadelbaum der Garaus gemacht.

Eineinhalb Jahre nach Gründung des ersten nordrhein-westfälischen Nationalparks Eifel südlich von Aachen macht das Nationalpark-Forstamt der Buche das Leben leichter. Im Konkurrenzkampf mit schnell wachsenden Nadelbäumen wie Fichte und Douglasie hat der langsam wachsende Laubbaum einen schwierigen Stand. Deshalb helfen ihm die Forstleute mit zwei Maßnahmen auf die Sprünge: Im Nordosten wird die Douglasie abgeholzt.

Bei der zweiten Maßnahme im Süden soll die Buche mit ihrer Licht-Genügsamkeit auf die Überholspur kommen. Im Halbschatten von Fichtenwald werden auf einer Fläche von zwölf Quadratkilometern Mengen von jungen Buchenpflanzen gesetzt – über 50.000 pro Jahr. Dort, wo es jungen Nadelbäumen zu dunkel ist, sollen die Buchen ohne Verdrängungskampf groß werden. In 20 Jahren, wenn die Buche stark genug gegen Konkurrenten ist, werden die Fichten abgeholzt.

„Das ist ein drastischer Eingriff“, kommentiert Walter die systematische Abholzung der Douglasie. Auf insgesamt 2,5 Quadratkilometern – das ist etwa die Größe von 340 Fußballfeldern – wird der Nadelbaum verschwinden. Die Fällaktion wird rund zehn Jahre dauern. Eifel-Bewohner haben den „Großangriff“ auf die Douglasie irritiert beobachtet: Nationalpark verbinden sie mit Naturschutz.

Doch im Nationalpark ticken die Uhren zwar mit dem Naturschutz, aber nicht mehr mit der Forstwirtschaft. Die Douglasie – ursprünglich in Nordamerika zu Hause – wächst selbst dort gut, wo es die Fichte schwer hat: geringer Nährstoff im Boden, wenig Wasser. „Um die Ertragskraft zu erhöhen, hatte man die Douglasie gepflanzt“, sagt Walter.

Aber in dem Großschutzgebiet müssen Bäume kein Geld mehr bringen. Im Nationalpark Eifel soll die Buche wieder an Boden gewinnen. Sie war vor 3.000 Jahren die dominierende Baumart Mitteleuropas und wäre es ohne Eingriffe des Menschen auch geblieben. Heute macht sie nur noch 15 Prozent der Waldflächen in Deutschland aus.

Das Beispiel Eifel zeigt warum: Über Jahrhunderte ist sie in den Eisenhütten verfeuert worden. Später verschwanden ganze Waldstücke bei Kämpfen im Zweiten Weltkrieg. Aufgeforstet wurde mit der schnell wachsenden Fichte.

Nadel- und Laubwald halten sich heute in dem Nationalpark in etwa die Waage. Weil Nadelbäume schneller wachsen, hat es die Buche aber schwer, sich durchzusetzen. Mit dem Kahlschlag der Douglasie hilft der Nationalpark nach. „Wir gehen davon aus, dass die Selbstheilungskräfte der Natur stark sind“, sagt Walter. Die Buche wird sich nach Einschätzung der Experten diese Freiflächen erobern.

Ziel des Nationalparks ist langfristig der Buchen-Urwald, in dem der Mensch kaum noch Hand anlegt. In 30 Jahren sollen sich 75 Prozent des Nationalparks ohne Eingriffe entwickeln. Gemessen an der Rückkehr der Buche ist das ein Wimpernschlag. 300 bis 500 Jahre wird der Prozess dauern, meint Walter. „Die Natur hat Zeit“, sagt er.