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Archiv-Artikel

Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

In der Zeughausreihe zur Filmzensur in Deutschland läuft mit Iris Gusners „Die Taube auf dem Dach“ ein ungewöhnlicher Film aus der Defa-Produktion des Jahres 1973, der in den verschiedenen Szenen einer nicht fortlaufend und eher assoziativ erzählten Handlung der Frage nachgeht, wie man leben möchte in der DDR. Hauptfigur ist die junge Bauleiterin Linda Hinrichs (Heidemarie Wenzel), die gleichzeitig Affären mit zwei Männern beginnt, dem geschiedenen Brigadeleiter Böwe und dem Studenten Daniel, der in den Semesterferien auf dem Bau jobbt. Doch beide Männer stellen nach kurzer Zeit Besitzansprüche, denen sie sich verweigert. Linda, deren Unabhängigkeit, Bildung und Berufskarriere vielleicht zum Hindernis für das private Glück wird, der Idealist Böwe, der in seinem Leben immer zuerst an die anderen denkt, damit aber auch nicht glücklich wird, sowie Daniel, der mit seinen Utopien auf den Widerstand einer bereits verbürgerlichten Arbeiterklasse trifft – an diesen Figuren, deren Haltungen und Motivationen in verschiedenen Nebenhandlungen weiter beleuchtet und kommentiert werden, hatten die Kulturpolitiker der DDR offenbar zu knabbern: Der Film wurde verboten, vermutlich, weil er auf die Fragen seiner Protagonisten nach einem gangbaren eigenen Weg nicht die „richtigen“, nämlich die entsprechenden staatssozialistischen Antworten liefert. Letztlich bleibt die Geschichte so offen wie die spannende Form, in der sie erzählt wird. Ursprünglich in Farbe gedreht, ist „Die Taube auf dem Dach“ heute nur noch in einer schwarz-weißen Kopie erhalten. (18. 1. Zeughauskino)

Welcher Casting-Direktor ist auf die Idee gekommen, den monolithischen John Wayne zusammen mit dem Method-Schauspieler und Actors-Studio-Mitbegründer Montgomery Clift in einem Western zu besetzen? Erstaunlich ist, dass dies in Howard Hawks „Red River“ (1948) hervorragend funktioniert: Während Wayne in der Geschichte eines großen Viehtrecks den selbstherrlichen und brutalen Anführer gibt, spielt Clift dessen ruhigen Ziehsohn und glänzt als sensibler, aber gleichermaßen durchsetzungsfähiger Cowboy. Hawks inszenierte viel Vieh und ein hochkomplexes Figurengefüge in der Prärie. (OmU, 22. 1. im Arsenal 1)

Mit „Die freudlose Gasse“ wandte sich G. W. Pabst 1925 zeitbezogenen Themen und einem realistischen Stil zu: Sein Film zeigt die Armut im Wien der Nachkriegszeit, die Verelendung der Mittelklasse unter dem Einfluss der Inflation und den Zusammenbruch aller moralischen Werte. Unvergessen ist Werner Krauss in der Rolle des widerlichen Schlachters, der sein Fleisch nur an jene Frauen abgibt, die bereit sind, sich dafür zu prostituieren. (21. 1. Babylon Mitte)