: Schwimmen in der Naturbrühe
Naturbäder in Nordrhein-Westfalen sterben langsam aus. Dabei stoßen sie auf großes Interesse: Die Anwohner Recklinghausens engagieren sich für den Erhalt ihres Naturbads. In Mülheim wird das Bad von den Menschen überrannt
VON DARIA EAMERI
In Nordrhein-Westfalen werdendie Naturbäder seltener. In Recklinghausen soll jetzt beispielsweise das Naturbad-Suderwich geschlossen werden. „Die Schließung des Naturbads steht aus Kostengründen zur Disposition. Wobei es ein sehr schönes Bad ist, das auch erhaltungswürdig ist“, sagt Heinz Bussmann, verantwortlich für die Bäder der Stadt Recklinghausen. Im Rahmen dieser Kontroverse haben sich Bürger Suderwichs zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen und rund tausend Unterschriften gesammelt, um die Schließung des Naturbads zu verhindern. Die Unterschriften sollen regelmäßig für den Erhalt des Bades gesammelt werden. „Ob das die Schließung verhindert, kann ich nicht sagen. Die Politik wird darüber entscheiden“, so Bussmann.
Ein Naturbad ist eine Sonderform des Freibads. Es handelt sich entweder um ein naturbelassenes oder um ein künstlich angelegtes, naturnahes Freibad, das ohne den Einsatz von Chemikalien wie Chlor auskommt. Baulich und ästhetisch soll sich ein Naturbad harmonisch in die umgebende Landschaft einfügen. Statt konventioneller Rutschen und Sprungtürme gibt es hier besonders geformte Felsen und Kletterstämme. Die Wasserflächen sind grundsätzlich eingeteilt in Bade- und Regenerationsbereiche. Angenehm an den Naturbädern ist, dass biologisch–mechanische Prozesse chemische ersetzen: Die Wasserflächen sind in einem geschlossenem Kreislauf miteinander verbunden. Wasserpflanzen (Phyto– und Zooplankton), eine Umwälzung des Wassers über die Pflanzenfilterbecken und regelmäßige Pflegemaßnahmen sorgen für die Sicherstellung der Wasserqualität.
Das Naturbad Styrum in Mülheim ist das neuste im gesamten Ruhrgebiet. 2005 wurde der Bau beschlossen und am 11. Juni diesen Jahres hatte es erstmals geöffnet. „Ein Naturbad hat den Vorteil, die Betriebsmittelkosten zu senken. Das heisst, dass man kein Chlor zur Desinfizierung des Wassers beimischt“, sagt Klaus Winter vom Unternehmen EKO–Plant, das das Naturbad in Mülheim gebaut hat. „Man kann beispielsweise Kies auf den Grund des Wassers legen. Das führt zu einem naturnäheren Ambiente als in einem einfachen Freibad.“ Außerdem könnten die Menschen jetzt bewusster wählen, in welches Bad sie gehen möchten. Chlorallergiker hätten somit keine Probleme mehr, schwimmen zu gehen.
Das 3,2 Hektar große Gelände kann täglich maximal 3.000 Menschen aufnehmen. Am vergangenen Wochenende waren es insgesamt 10.000 Menschen, die wegen des heißen Wetters Lust hatten, einen Sprung ins kühle Wasser zu wagen. „Die Menschen haben die Kapazität des Naturbads um einiges übertroffen. Allerlei Dreck und Sand wurden schon im Vorfeld und auch am Wochenende in die Becken getragen“, so Winter. „Die vielen Menschen haben den im Wasser abgesetzten Bodensatz aufgewirbelt.“ Dadurch sei eine geringe Sichttiefe im trüb gewordenen Wasser entstanden. Das Sicherheitsrisiko war zu hoch und der Mülheimer Sportservice (MSS) beendete den Badespass nach dem Wochenende: Das Naturbad musste das Schwimmen in den Becken verbieten. „Wir sind jetzt dabei nach technischen Möglichkeiten zu suchen, den Kies sauber zu halten“, so Winter.
Die Becken sind jetzt wieder für jeden zugänglich. Durch den mehrtägigen Benutzungsverbot der Becken hat das Naturbad viel Geld verloren. NRW weit existieren nur noch ein Dutzend Naturbäder.