: Der talentierte Michael Krüger
LITERATUR Die Literaturwerkstatt präsentiert mit Michael Krüger einen der ganz Großen des deutschsprachigen Literaturbetriebs. Leider ist sich der Geladene seiner Bedeutung manchmal selbst zu sehr bewusst
Michael Krüger ist Verleger, Herausgeber, Autor, Übersetzer und Protagonist seiner Internet-Film-Reihe „Michael Krüger spricht über …“. Sein Abschied als Geschäftsführer des Hanser Verlags hat das Feuilleton zwei Jahre lang beschäftigt. Die Literaturwerkstatt Berlin nimmt nun seinen 70. Geburtstag und die Veröffentlichung des Gedichtbandes „Umstellung der Zeit“ (Suhrkamp Verlag 2013) zum Anlass, ihn nach Berlin einzuladen: Mit seinem Kollegen Harald Hartung spricht Michael Krüger über das Schreiben und Verlegen von Gedichten.
■ Ein Abend für Michael Krüger: Literaturwerkstatt Berlin, Knaackstraße 97, Donnerstag, 16. Januar, 20 Uhr, 5/3€
VON JÖRG SUNDERMEIER
Michael Krüger zu ehren, ist eigentlich schwierig: So viele Talente hat der Mann, so viele Verdienste für die deutsche Literatur, dass es schwierig ist, sich da zu fokussieren. Für eines seiner Talente wurde er in den vergangenen Monaten besonders gefeiert, für sein verlegerisches nämlich. Darüber wäre der Autor Krüger beinahe in Vergessenheit geraten.
Michael Krüger arbeitete seit 1968 im Hanser Verlag, ab 1986 leitete er dessen Literaturabteilung, 1995 wurde er Geschäftsführer. Zum Jahreswechsel ist Krüger aus der Verlagsführung ausgeschieden. Jetzt sitzt Jo Lendle auf seinem Stuhl, ebenfalls ein schreibender Verleger. Diese Personalie wurde in der Verlagsbranche heiß diskutiert.
Doch nicht nur dort. Um den Führungswechsel in dem Verlag, den Krüger zu einem der bedeutendsten literarischen Verlage im deutschen Sprachraum ausgebaut hat, zu begleiten, erschienen in den vergangenen zwei Jahren unzählige Artikel. Die Krüger-Festspiele, die in den letzten Wochen rund um seinen 70. Geburtstag veranstaltet wurden, nährten mancherorts die Sorge, dass Krüger doch zu eitel sei. Und tatsächlich würdigte man ihn im Feuilleton in einer Weise, die manch großen Politiker neidisch machen könnte, sodass er sich ein, zwei mal dazu hinreißen ließ, selbst anzudeuten, dass er fürchte, dass mit seiner Pensionierung auch gleich die ganze deutsche Literatur in Rente gehe. Auch wetterte er in einer Weise gegen E-Books und das Internet, dass man manchmal glauben mochte, Krüger habe die Erfindung des Computers nicht allzu gut verkraftet. Doch Krüger ist klug genug, die Diva, die in ihm ans Licht drängt, zumeist zu unterdrücken.
Der Verlegerdichter wurde 1943 in Wittgendorf geboren, er wuchs in Berlin auf, direkt am Wannsee unweit des heutigen LCB. Er lernte den Beruf des Buchhändlers, nebenher studierte er an der FU als Gasthörer Philosophie. Nach zwei Jahren in London trat er als Lektor in den Hanser Verlag ein – und wurde zu einer bedeutenden Gestalt für die Branche.
Michael Krüger hat ein gewinnendes Wesen, wahrscheinlich sind mehr als die Hälfte aller deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, die über 50 Jahre alt sind, mit ihm befreundet. Er hat auch im Ausland zahlreiche schreibende Freundinnen und Freunde, sein literarisches Gespür reicht über Sprachgrenzen hinaus. Zudem kommt es ihm zupass, dass er als Autor die Probleme andere Autorinnen und Autoren erfassen kann, er also nicht nur als Lektor und Verleger, sondern als Kollege mit ihnen Probleme besprechen kann. So kommt es, dass Hanser heutzutage als Verlag der Literaturnobelpreisträger gilt, zudem werden die hiesigen Autorinnen und Autoren des Hauses mit Literaturpreisen überhäuft. Auch Michael Krüger selbst wurde mehrfach ausgezeichnet: Für sein umfangreiches literarisches Werk erhielt er unter anderem den Tukan-Preis, den Peter-Huchel-Preis, den Ernst-Meister-Preis für Lyrik der Stadt Hagen und den Joseph-Breitbach-Preis. Er wurde von zwei Universitäten mit der Ehrendoktorwürde geehrt und auch der große Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste wurde ihm zuerkannt. Letzterer Akademie wird er nun selbst als Präsident vorstehen. Zudem ist Krüger noch in einer Reihe weitere Akademien tätig.
Der Autor Michael Krüger ist neben seiner Verlegertätigkeit, die einen Menschen – wie Siegfried Unseld einmal sagte – „mit Haut und Haar“ beansprucht, immer auch ein sehr produktiver Autor gewesen. Er hat bislang vier Romane veröffentlicht, einige weitere Prosatexte, vor allem aber Hunderte Gedichte. Seit 1976 brachte Krüger regelmäßig neue Lyrikbändchen heraus, zunächst im eigenen Haus, dann bei Wagenbach und Residenz, seit 2000 ist Suhrkamp sein Hausverlag geworden.
Dort ist gerade der Band „Umstellung der Zeit“ erschienen, und diesen wird Krüger am Donnerstagabend gemeinsam mit Harald Hartung vorstellen – dabei aber auch sein Leben als Dichter und als Verleger von Lyrik Revue passieren lassen. Denn den Gedichten, die, wie der Verleger weiß, nur schwer verkäuflich sind, da sie sich von allen literarischen Formen am vehementesten dagegen sträuben, zur Ware zu verkommen, gehört Krügers Herz. „Mein Ziel ist es, den Menschen zu zeigen, dass ein Tag ohne die Lektüre eines Gedichts ein verlorener Tag ist“, sagte Michael Krüger einmal in einem Zeitungsinterview.
„Einer ist Tischler geworden, / einer Anwalt, eine arbeitete / in der Pressestelle der ARD“, heißt es in Krügers Gedicht „Klassentreffen“, das mit folgenden Zeilen abschließt: „Eine hat’s geschafft. / Sie wollte Waldbeeren / sammeln in Finnland / und wurde nie mehr gesehn.“ Auch wenn er in diesem Gedicht das Verschwinden anpreist, wird Michael Krüger der deutschen Literatur erhalten bleiben. Mit dem Unterschied, dass er nun vor allem als jener wahrgenommen werden wird, den die Muse küsst, und nicht mehr als der große Verleger, der die Musen zur Arbeit antreibt. Das ist eine erfreuliche Nachricht.