: Koalition will den Otto-Katalog verschärfen
Opposition und Datenschützer rügen den Plan von Union und SPD, das Terrorismusgesetz auszuweiten: Das ist „ein erneuter Angriff aufs Grundgesetz“. Geheimdienste bekommen zu viel Macht. Trennlinie zur Polizei wird verwischt
BERLIN taz ■ Die geplante Verschärfung des Anti-Terror-Gesetzes stößt auf harte Kritik von Opposition und Datenschützern. Von einem „gesetzgeberischen Sündenfall“ sprach der Innenexperte der Grünen, Volker Beck. Der Entwurf von Unions- und SPD-Fraktion sei ein „erneuter Angriff aufs Grundgesetz“, sagte die Fraktionsvize der Linkspartei, Petra Pau. Eine „unabhängige Evaluierung“ gehöre vor einer Neuauflage der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassenen Gesetze, sagte eine Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar.
Am Dienstag einigten sich die Regierungsfraktionen nicht nur auf eine fast nahtlose Fortführung des nach dem damaligen SPD-Innenminister Schily „Otto-Katalog“ genannten Gesetzespaketes zur Terrorismusabwehr. Sie wollen auch noch draufsatteln: Bislang müssen Airlines, Banken, Post- und Telekommunikationsfirmen Geheimdiensten Auskünfte erteilen, wenn sie gegen „internationalen Terrorismus“ ermitteln. Künftig soll das auch möglich sein, wenn es um islamische Hassprediger und rechtsextreme Organisationen geht. Auch die Handys von Islamisten und Neonazis sollen von den Schlapphüten leichter mit so genannten IMSI-Catchern geortet werden können. Die Behörden hätten die bestehenden Regelungen in den Jahren 2002 bis 2004 nur 90-mal angewandt, sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er kündigte an, dass das Kabinett in der kommenden Woche den Entwurf beraten werde.
„Damals hieß es, die Einschränkung von Bürgerrechten sei nur auf die Ausnahmesituation nach dem 11. 9. begrenzt“, sagt der FDP-Innenpolitiker Max Stadler. „Unfassbar“ findet er, dass trotz rechtswidriger Spitzelaktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND) „gerade jetzt die Befugnisse der Geheimdienste ausgeweitet werden sollen“.
Mehr Macht für BND, Militärischen Abschirmdienst und Verfassungsschutz hält der Grüne Beck für „nicht verhältnismäßig“. Die Regelungen weichten das grundgesetzliche Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei werde auf – wie die Absicht, die Schlapphüte künftig im europaweiten Schengener Informationssystem der Polizei schnüffeln zu lassen. Der Gesetzentwurf ziehe zu ungenaue Grenzen zwischen den Befugnissen von Polizei und Geheimdiensten, betonte die Sprecherin von Bundesdatenschützer Schaar. „Wenn man denen den kleinen Finger reicht, nehmen sie gleich die ganze Hand“, sagt FDP-Mann Stadler. „Es ist zu befürchten, dass die Geheimdienste künftig auch im Bereich der Strafverfolgung agieren, der bislang der Polizei vorbehalten ist.“
Alles nur „Kritik der üblichen Bedenkenträger“, findet der Mitverfasser des Entwurfs, der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. Die SPD wolle bei Hasspredigern „sämtliche Register ziehen können“. Dabei werde die Trennlinie zwischen Polizei und Geheimdiensten „genau“ beachtet. „Wir sind kein wild gewordener Überwachungsstaat“, betonte Wiefelspütz. Das bestehende Terrorismusgesetz sei erneut auf fünf Jahre begrenzt worden. Wiefelspütz: „Wir in Deutschland haben auch schon mit Augenmaß auf den 11. September reagiert.“
KAI SCHÖNEBERG
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