Natürliches Kapital mehren

NATUR Die 3.000 größten Unternehmen der Welt verursachen jedes Jahr Umweltschäden von 1,7 Billionen Euro – und entziehen sich selbst die Geschäftsgrundlage, warnen die UN

Nur „Biodiversität mit Charity-Aspekt“

KRUG, GREENPEACE

VON HANNA GERSMANN

Manager, es zahlt sich aus, grüner zu werden! Die Misswirtschaft auf Kosten der Natur zerstört eure Geschäftsgrundlage! Es kann nicht so weitergehen wie bisher, das wird teuer! Nein, dies ist alles andere als ein Déjà-vu aus der Klimakrise. Es geht um ein Problem, das die Politiker bislang kaum aufgreifen: das Artensterben.

Die Botschaften für Firmenchefs stecken in der globalen TEEB-Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung von Ökosystemen und Biodiversität, genauer: einem Teil davon: dem Business-Report. Ihn haben die Vereinten Nationen am Dienstag auf einer internationalen Konferenz in London veröffentlicht.

TEEB steht für „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“. Bisher ist der Schutz der biologischen Vielfalt alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Wissenschaftler warnen, dass jeden Tag weltweit 130 Arten aussterben. Umweltschützer skandalisieren, dass sich derzeit das größte Massensterben abspielt, seitdem die Dinosaurier verschwunden sind. Dennoch werden Wälder abgeholzt, Ozeane geplündert, Wiesen betoniert. Die Kosten, die durch den Verlust der Bäume, der Fische, der Insekten entstehen, tauchen in keiner Rechnung auf. Mit TEEB soll sich das ändern. Die Idee: Der biologische Schatz des Planeten wird eingebettet in das Wirtschaftssystem. Natur bekommt eine Art Preisschild dafür, dass sie Essen, Wasser, Krebsmedikamente liefert. So wird klar: Wird Natur zerstört, ist das nicht nur ein Problem für Käferliebhaber.

Diesen Zusammenhang bezifferbar machen soll der Inder Pavan Sukhdev, Ex-Deutsche-Bank-Ökonom. Er wurde damit beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm beauftragt, seitdem liefert er peu à peu Ergebnisse.

Beispiel 1: Ein globales Netzwerk von Schutzgebieten, wie es sich Naturschützer wünschen, wäre jährlich 5 Billionen US-Dollar wert. Das ist mehr als Automobil-, Stahl- und IT-Industrie erwirtschaften. Beispiel 2: Allein die 3.000 größten Unternehmen der Welt verursachen jedes Jahr Umweltschäden von 1,7 Billionen Euro. Doch nicht bei allen Managern hinterlassen diese großen Zahlen großen Eindruck. Zwar sieht in Afrika und Lateinamerika, also in Ländern mit großem biologischen Reichtum, schon jeder zweite Unternehmenschef im Artensterben eine Gefahr für das Wirtschaftswachstum. In Westeuropa sorgt sich aber nicht mal jeder fünfte darum, heißt es im „TEEB for Business“-Report, der sich liest, als wolle Sukhdev sagen: Man darf klein anfangen, um das natürliche Kapital zu mehren. Denn er nennt Beispiele für Artenschutzbemühungen von Unternehmen, die Umweltschützer kaum zufriedenstellen.

Darunter: Rio Tinto, einer der größten Bergbaukonzerne der Welt, verspricht einen „positiven Netto-Einfluss“ auf die biologische Vielfalt. Er engagiert Biologen, die rund um seine Minen herum die Artenvielfalt ermitteln, und steckt Geld in Renaturierungsprogramme.

Für Stefan Krug, Leiter der politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin, ist das „Biodiverstität mit Charity-Aspekt“: „Rio Tinto sucht sich ein hübsches Vorzeigeprojekt und zerstört weiter massiv Lebensräume.“

So will auch Sukhdev das in Zukunft nicht mehr haben. Er fordert, die Nutzung der Ökosysteme in die Unternehmensbilanzen mitaufzunehmen – und dass die Politik Vorgaben macht. Auf der UN-Naturschutzkonferenz im Herbst in Japan wird er seinen Endbericht vorlegen.