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Archiv-Artikel

Brüssels Deal für mehr Gentech

LANDWIRTSCHAFT EU-Kommission will nationale Anbauverbote von Genpflanzen erleichtern. Im Gegenzug sollen Mitgliedstaaten europaweite Zulassungen beschleunigen

Das Angebot gebe den Ländern kaum neue Rechte, sagen Umweltschützer

VON JOST MAURIN

Die Europäische Kommission hat den Mitgliedstaaten etwas mehr Rechte für nationale Verbote von Gentech-Pflanzen angeboten. Gesundheitskommissar John Dalli stellte am Dienstag einen Gesetzentwurf vor, wonach die Länder auch ohne Hinweise auf ökologische oder gesundheitliche Risiken den Anbau auf ihrem Gebiet untersagen dürfen. Gentech-Gegner befürchten, dass die Staaten im Gegenzug schneller neue Pflanzen auf EU-Ebene zulassen. In den gentechfreundlichen Niederlanden etwa hätte die Industrie mit ihren Pflanzen dann freie Fahrt.

Auch bisher dürfen Mitgliedsländer den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Territorium verbieten, die von der EU erlaubt wurden. Allerdings müssen sie sich dabei auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse berufen, wonach die Pflanzen gefährlich sein könnten.

Nun schlägt die Kommission vor, dass die Mitgliedsstaaten auch aus anderen Gründen den Gentech-Anbau in ihrem gesamten Gebiet oder einem Teil davon untersagen können. Das will die Behörde gemeinsam mit den Regierungen der Mitgliedsländer und dem Europäischen Parlament in die Richtlinie zu Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen schreiben, wie Kommissar Dalli erklärte. Damit werde „den Bürgern deutlich gemacht, dass Europa ihren Bedenken“ gegen die Agro-Gentechnik Rechnung trage.

Für die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken ist der Vorschlag dennoch kein Fortschritt. „Der Schutz gentechnikfreier Regionen ist auch heute schon durch nationale Regelungen möglich“, sagte sie der taz. Die nationalen Anbauverbote hätten trotz Einsprüchen der Kommission jetzt schon Bestand, erklärte auch Stephanie Töwe von Greenpeace. So verbieten derzeit sechs EU-Staaten, bestimmte Gentech-Pflanzen anzubauen. Deutschland etwa hat den Mais MON810 der US-Firma Monsanto von seinen Äckern verbannt.

Als Gegenleistung für die nationalen Anbauverbote sollten die Regierungen positiver auf Zulassungsanträge für neue Pflanzen reagieren, heißt es in einem internen Kommissions-Dokument. „Jetzt wird zügig auf europäischer Ebene zugelassen werden“, warnt deshalb Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Das wäre für die Industrie ein großer Sprung nach vorn, denn bisher haben gentechkritische Staaten wie Frankreich dafür gesorgt, dass derzeit nur zwei Sorten von der EU zugelassen sind.

Ob die Kommission mit ihrer Strategie durchkommt, ist jedoch offen. Der Sprecher von Österreichs gentechnikkritischem Gesundheitsministerium sagte der taz zwar: „Wir sehen den Kommissions-Vorschlag grundsätzlich positiv, weil wir so mehr Rechtssicherheit bei Verboten bekommen.“ Sein Land werde nun aber nicht anders über Gentech-Zulassungen abstimmen. Frankreich hatte sich sehr skeptisch zu dem gesamten Vorschlag geäußert. Das Bundesagrarministerium in Berlin erklärte, es prüfe die Sache noch.