: Hilfe und Terror: die zwei Gesichter der Hamas
NAHOST Mit Spenden an Hamas hilft man Menschen im Gazastreifen, sagt Milli Görüs. Stimmt das?
■ Verbot: Am Montag hat der Bundesinnenminister die Internationale Humanitäte Hilfsorganisation (IHH) verboten, weil diese 6,6 Millionen Euro an die radikalislamische Hamas transferiert haben soll. Hinter der IHH stecken zahlreiche Funktionäre der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG).
■ Milli Görüs: Der Verband ist mit gut 300 Moscheen und 29.000 Mitgliedern die größte islamistische Organisation in Deutschland. Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet, gilt aber als gewaltfrei und legalistisch.
JERUSALEM taz | Die Hamas, die überraschend Anfang 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen für sich entschied, bekam drei Auflagen, um von Israel und dem westlichen Ausland anerkannt zu werden und sich die weitere Finanzierung der Autonomiebehörde zu sichern.
Sie sollte der Gewalt absagen und Israel sowie sämtliche Abkommen zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO anerkennen. Doch die Islamisten verweigerten sich und ließen offizielle Geldströme versiegen. Die USA und Europa schrieben die Hamas auf die Liste der Terrororganisationen und folgten dem Boykott Israels.
Damit war die neue Hamas-Führung gezwungen, von den Spendengeldern zu existieren, die von der iranischen Regierung, von saudischen Freunden und von diversen Initiativen weltweit überwiesen wurden. Etwa unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe sammelten die Islamisten Geld für den guten Zweck. Ein Großteil der Spenden erreichte ihr Ziel.
Die Hamas war in ihren Anfängen eine soziale Organisation. Sie setzte sich erst im Laufe der Zeit auch den Widerstand zum Ziel und wurde dabei immer radikaler. Der militante Kampf gegen die Besatzung wurde parallel zur sozialen Arbeit geführt. Die Hamas sprang dort ein, wo die palästinensische Führung der Fatah, der stärksten Fraktion in der PLO, versagte. Sie baute Kliniken, Waisenhäuser und Altenpflegeheime.
Seit Juni 2007 stellen die Islamisten de facto die Regierung im Gazastreifen. Historiker Jitzhak Reiter, Islamexperte von der Hebräischen Universität in Jerusalem, sagt: „Wenn Gelder an Wohlfahrtseinrichtungen gespendet werden, bedeutet das Einsparungen für die Regierung – die stattdessen in den Terror investiert werden können.“ Die Spenden würden zwar nicht direkt für Granaten gezahlt, aber „praktisch finanzieren sie den Terror“.
TSAFRIR COHEN, MEDICO INTERNATIONAL
Hilfe für die Menschen im Gazastreifen muss nicht zwingend über die Hamas geleitet werden. Die UN verfügt über ein breites Versorgungsnetz für Flüchtlingsfamilien, außerdem sind rund einhundert internationale NGOs im Gazastreifen aktiv. So arbeitet medico international in Bereichen der Gesundheit, der Menschen- und Frauenrechte. „Man kann den Leuten helfen ohne den kleinsten Berührungspunkt mit der Hamas“, sagt Tsafrir Cohen, Vertreter von medico international in den Palästinensergebieten. SUSANNE KNAUL