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Archiv-Artikel

Ganz große Koalition gegen Ladenschluss

Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein peilen Freigabe des Ladenschlusses an. Dann könnten Geschäfte rund um die Uhr öffnen. Dass längere Öffnung nicht mehr Umsatz bedeutet, zeigt die WM-Sonderregelung in Hamburg

Im ideologisierten Streit um den Ladenschluss scheinen die Liberalisierer Oberwasser zu bekommen. Nach Niedersachsen wollen auch Schleswig-Holstein und Hamburg den Ladenschluss von Montag bis Samstag freigeben. Das kündigten Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) in Kiel und Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) an. Werktags könnten die Geschäfte im Norden demnach rund um die Uhr öffnen. An den Sonn- und Feiertagsregelungen wollen die Hanseaten und Nordlichter angeblich nichts ändern.

Wenn der Bundesrat Freitag die Föderalismusreform verabschiedet, sind die Länder allein für den Ladenschluss verantwortlich. „Jeder soll dann einkaufen können, wann er möchte“, erklärt Austermann. Jedoch bestehe für die Geschäfte keine Verpflichtung, länger zu öffnen.

Es gebe gute Beispiele für die Liberalisierung der Öffnungszeiten, sagte Austermann. Die „Bäderregelung“ etwa gestattet Läden in Kur- und Erholungsorten Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns, auch sonntags nach dem Kirchgang zu öffnen. Trotzdem strebt das SPD/PDS-regierte Meck-Pomm weitere Schritte an. „Es ist kaum zu vermitteln, dass im Ostseebad Warnemünde sonntags eingekauft werden kann“, sagt der Sprecher des Schweriner Wirtschaftsministeriums, Gerd Lange, „und an der Rostocker Promenade sind die Geschäfte dicht.“ Kiels Wirtschaftsminister Austermann verspricht sich durch die Neuregelungen Wachstum. „Jedes zusätzliche Angebot führt zu mehr Nachfrage“, sagt er. Er erhoffe sich zusätzliche Arbeitsplätze.

Dass dem nicht so ist, musste gerade der Hamburger Einzelhandel während der Fußball-WM bitter erfahren. Als Austragungsort hatte die Wirtschaftsbehörde – anders als in Hannover – den Geschäften per Sondererlass die Öffnung bis 22 Uhr gestattet und auch das Shoppen sonntags zwischen 14 und 20 Uhr möglich gemacht.

Doch der Kaufrausch blieb aus. Selbst in großen City-Kaufhäusern herrschte zu später Stunde oft geisterhafte Leere. Obwohl VerkäuferInnen verdonnert wurden, mehrere Stände zu betreuen, klagten viele über Langeweile. „Wir warnen Senator Uldall dringend davor, unüberlegte Schnellschuss-Entscheidungen bei den Ladenöffnungszeiten in Hamburg zu treffen“, poltert Ulrich Meinecke, Vize-Landeschef der Gewerkschaft ver.di. „Die WM-Erfahrungen unterstreichen unsere Warnungen.“ KAI VON APPEN