: Die Wirtschaft ist gut bedient
Nach Jahren der Schrumpfung soll die Wirtschaft in diesem Jahr leicht wachsen. Senat hofft auf positive Effekte für den Arbeitsmarkt. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sinkt aber weiter
von RICHARD ROTHER
Nach Jahren der Schrumpfung sieht Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) Anzeichen für eine Verbesserung der Berliner Wirtschaftslage. „Berlin wächst wieder“, sagte Wolf gestern bei der Vorstellung des Wirtschafts- und Arbeitsmarktberichtes 2006. In diesem Jahr werde das Wachstum mindestens ein Prozent betragen. So hoch war es seit dem Jahr 2000 nicht mehr.
Die anhaltende Besserung werde sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken. „Ich bin zuversichtlich, dass die positive Stimmung in der Berliner Wirtschaft nun auch auf den Arbeitsmarkt überspringen wird“, so Wolf. Bislang war allerdings in der Bundesrepublik ein deutlich stärkeres Wachstum nötig, um nachhaltige Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu bewirken. Zudem liegt das Berliner Wachstum unter dem Bundesdurchschnitt.
Wolf sieht denn auch die wichtigste Aufgabe der Berliner Wirtschaftspolitik darin, „mehr sozialversicherungspflichtige und Existenz sichernde Beschäftigung zu stimulieren“. Ein hehres Ziel, denn die Zahlen im Wirtschafts- und Arbeitsmarktbericht zeigen, wie ernst die Beschäftigungslage in Berlin ist: Zwischen 2001 und 2005 sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berlin um knapp zehn Prozent auf 1,01 Millionen. Insgesamt waren im Jahresdurchschnitt 2005 rund 1,54 Millionen Menschen in Berlin erwerbstätig. Das heißt, dass mehr als ein Drittel aller Erwerbstätigen nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war – sei es als (Schein-)Selbständige mit oder ohne Ich-AG-Förderung, sei es als so genannte Mini-Jobber oder als 1-Euro-Jobber.
Berlin wird somit immer mehr zum Vorreiter der unsicheren, prekären Beschäftigung, die oft keine Existenz sichernden Einkommen bringen. Immerhin: Der Wirtschafts- und Arbeitsmarktbericht prognostiziert auch hier einen Trend zur Verbesserung. Insgesamt könne die Zahl der Erwerbstätigen leicht zunehmen. „Der Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung dürfte sich allmählich verlangsamen.“
Scharf kritisierte Wolf die Umsetzung der so genannten Hartz-Reformen. Erhebliche organisatorische und technische Defizite, die nicht vom Land Berlin zu verantworten und von ihm auch kaum zu beeinflussen seien, behinderten nach wie vor die effektive Betreuung und Förderung insbesondere der Langzeitarbeitslosen. „Hartz IV ist ein bürokratisches Monster und ein System organisierter Verantwortungslosigkeit“, erklärte Wolf.
Die Grünen-Spitzenkandidatin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstätt-Bohlig kritisierte Wolf ob dieser Aussagen. Nicht Hartz IV sei das Monster organisierter Verantwortungslosigkeit. „Wolf hat sich zurückgelehnt und zugeschaut, er hat sich aus der Verantwortung gezogen.“ Der Wirtschaftssenator sei unfähig, wenn er sage, die Hartz-Defizite seien von ihm kaum zu beeinflussen. Zur Erinnerung: Hartz IV beschloss die ehemalige rot-grüne Bundesregierung, die PDS bekämpfte die Reform.