: Ein Kammerspiel auf dem Mond
HIPPEN empfiehlt In „Moon“ von Duncan Jones wird das schöne alte Genre der Weltraumfilme mit Mondmobil, Raumanzug und Zitaten aus „2001“ neu belebt
VON WILFRIED HIPPEN
Es ist seltsam, aber gerade Science-Fiction kann schon sehr bald altmodisch wirken. In den Geschichten über die Zukunft werden ja immer die gerade aktuellen Verhältnisse weitergedacht (Orwells „1984“ war das Großbritannien von 1948 plus viel Pessimismus), und so entsteht das Paradoxon, dass gerade dieses Genre zeitgebundener ist als die meisten anderen. Aber diese Wirkung hat auch einen ganz eigenen Charme, wie jeder weiß, der sich schon über das Bügeleisen auf dem Steuerpult des Raumschiffs Orion gefreut hat. Mit diesem Effekt arbeitet Duncan Jones in dem britischen Sciencefiction-Film „Moon“, der nicht nur so aussieht, als wäre der in den späten 60er Jahren gedreht worden, sondern mit vielen Zitaten aus „2001“ und „Solaris“ gespickt wurde.
Während in dem Genre heute fast nur noch apokalyptischen Visionen und Geschichten von möglichst verwinkelten Zeitreisen produziert werden, gibt es hier noch eine guten alte Station auf dem Mond, in der ein Angestellter jener Gesellschaft sitzt, die den fast automatischen Minenabbau einer vermeintlich sicheren und unerschöpflichen Energiequelle namens „Helium 3“ durchführt.
Dieser Sam Bell scheint der einzige Mann auf dem Mond zu sein, und am Ende seiner dreijährigen Dienstzeit ist er kurz davor verrückt zu werden. Sein einziger Gesprächspartner ist der Computer „Gerty“ und natürlich hat dieser eine ähnlich fürsorgliche Stimme (im Original die von Kevin Spacey) wie einst „HAL“ bei Kubrick. Abgesehen von ein paar Ausflügen mit Mondmobil und Raumanzug spielt sich alles in den Räumen dieser Station ab, denn dies ist eines von den altgedienten Kammerspielen im All, allerdings in der billigeren Variante, also eher „Dark Star“ als „Solaris“.
Da das Drehbuch von Nathan Parker so geschickt gestrickt ist, würde nun jedes weitere Wort über den Plot das Spiel verderben. Dies ist natürlich ein grundsätzliches Problem, denn wie kann man etwas nachvollziehbar bewerten, was man nicht verraten darf. Der arme Kollege vom Londoner Stadtmagazin „Time Out“ erzählte schon ein wenig zuviel und bekam empörte Blob-Einträge wie: „Real hotshot pro aren‘t you. Ruined it for a few people.“ In amerikanischen Filmkritiken gibt es in diesen Fällen sogenannte “spoiler-warnings“, aber ich probiere mal etwas anderes, indem ich kurz eine ähnlich strukturierte Geschichte von Stanislav Lem nacherzähle.
In dessen „Sterntagebüchern“ berichtet sein Held Ijon Tichy davon, dass er alleine in seinem Raumschiff eine Reparatur nur mit einem zweiten Mann ausführen konnte. Flugs flog er in eine „Zeitfalte“, sodass sein Ich vom nächsten Tag auch an Bord war, dieses kopierte sich dann aber ebenfalls und schnell war das Schiff voller Ichon Tichys, die alle behaupteten, sie seien der einzig Wahre. Ein ähnliches Drama, das im Grunde nicht psychologisch ist, sondern von einem Problem der Logik ausgeht, entwickelt sich in „Moon“. Dabei wird das Konzept der Identität hinterfragt, und es wird wieder einmal jene Frage aufgeworfen, die Philip K. Dick mit dem Romantitel „Träumen Roboter von elektrischen Schafen?“
Nun ist es ein Prinzip des Genrefilms, dass in ihm jeweils das Bekannte neu variiert und arrangiert wird, und in diesem Sinne ist „Moon“ gewitzt, spannend und einfallsreich. Sam Rockwell gelingt es, überzeugend gegen sich selber anzuspielen, und die erzählerischen Wendungen sind so gut vorbereitet und kaschiert, dass auch ein Kenner des Genres bis zum Schluss überrascht wird. Schließlich wird sogar „HAL“ (den die scharfsinnige Kritikerin Pauline Kael damals als den menschlichsten Charakter in „2001“ beschrieb) rehabilitiert, denn seine Neuauflage „GERTY“ trifft schließlich eine zugleich logische und menschliche Entscheidung.