FLOHMARKT 2.0 : Die Barcode-Jäger
Das Flohmarktschnäppchen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Die Vorstellung, ganz gemütlich auf Berliner Flohmärkten, von denen es Woche für Woche mehr gibt, glücklich machende Dinge zu Schleuderpreisen erwerben zu können, ist sowieso eine Schimäre.
Wer nach durchfeierter Samstagnacht und einem ausgiebigen Sonntagsbrunch irgendwann nachmittags mit einem Hangover beispielsweise auf dem Mauerpark-Flohmarkt aufläuft, kann davon ausgehen, nur noch in zigfach durchwühltem Müll herumstöbern zu können, an dem man sich die Hände klebrig macht. Die besten Sachen werden sowieso bereits zu einer Zeit von Händlern für ihre überteuerten Vintage- oder Plattenläden abgegriffen, wo der gemeine Szeneberliner gerade das fünfte Bier in seinem Lieblingsklub bestellt.
Die Schnäppchenjagd ist in Wahrheit ein hartes Geschäft. Wer zuerst kommt, kauft zuerst. Seit einiger Zeit gibt es nun auch noch die Tendenz, der Flohmarktromantik auch das letzte bisschen Zufälligkeit auszutreiben. Immer mehr Flohmarktgeher sieht man nun die CD- und Bücherkisten durchwühlen, die sich nicht mehr auf ihr Wissen um wertvolle Artikel verlassen, die ein armer ahnungsloser Student zum Zwecke der Budenausmistung viel zu billig verramscht. Stattdessen sieht man diese Menschen akribisch jeden Barcode der angebotenen Ware in ihr internettaugliches Handy eingeben. Man kommt selbst, als unprofessioneller Flohmarktschlenderer, gar nicht mehr richtig ran an die CD-Kisten, weil da jetzt immer einer steht und aufwendig prüft, welche Artikel bei Amazon oder E-bay vielleicht noch richtig Geld bringen würden.
Unsereiner wird gegen diese technisch hochgerüstete Konkurrenz keine Schnäppchen mehr machen können. Auf Berliner Flohmärkten sollte das Internet verboten werden.
ANDREAS HARTMANN