: Reden hilft
FRIEDEN MIT DEM NACHBARN Mietervereine setzen bei Nachbarschaftsstreits zunehmend auf Mediation. Denn Juristen heizten die oft diffusen Konflikte häufig zusätzlich auf
Heinrich Stüven, Grundeigentümerverband
VON SEBASTIAN BRONST
In den allermeisten Fällen geht es um echte oder vermeintliche Lärmbelästigung, manchmal auch um ungeschnittene Hecken, herunterfallendes Laub oder die Nutzung von Wäscheleinen im gemeinschaftlichen Trockenraum von Mietshäusern: Nachbarschaftsstreitigkeiten sind ein großes Problem. Zunehmend wird dort bei der Lösungssuche auf professionelle Mediation und Streitschlichtung gesetzt.
Auch der Hamburger Mieterverein setzt seit Neuestem auf diese Methode und bietet sie zusammen mit einer ausgebildeten Mediatorin und Anwältin seinen Mitgliedern an. „Wir vom Mieterverein haben gesehen, dass es da einen großen Bedarf gibt“, sagt Sprecherin Marielle Eifler. Getragen wird diese Erkenntnis nicht zuletzt von der Erfahrung, dass rechtliche Schritte und juristische Auseinandersetzungen in der Regel kaum geeignet sind, Konflikte zwischen Mietern zu lösen.
Gerade bei Fragen der Lärmbelästigung ist die Beweisführung sehr schwierig, Gerichte stoßen hier schnell an ihre Grenzen – zumal es in vielen Fällen gar nicht um klare Fälle von Ruhestörung geht, sondern um sich hochschaukelnde Konflikte, in denen sich eine Seite von der anderen irgendwann grundsätzlich gestört fühlt, auch wenn diese sich durchaus im Rahmen des Erlaubten bewegt. Die „psychologische Komponente“ sei gerade bei Nachbarschaftskonflikten oftmals entscheidend, sagt Mietexpertin Eifler. „Dann ist es schwierig, die Fälle zu entzerren.“
Ganz ähnliche Erfahrungen hat auch Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümerverbands der Hansestadt, gemacht. Auch wenn viele glaubten, derartige Probleme ließen sich am besten mit der Hilfe von Juristen aus der Welt schaffen, sei das bei zwischenmenschlichen Konflikten oftmals nicht der Fall. Durch die Art ihrer berufsbedingten Vorgehensweise könnten diese den Streit nicht selten sogar noch anheizen. „Juristen sind sehr fordernd“, sagt Stüven. Mediation sei da oft der bessere Weg. „Das ist die einzige Chance, solche Konflikte zu bewältigen und nicht weiter eskalieren zu lassen. Es hilft nur reden.“
Das allerdings ist oft leichter gesagt als getan. Nachbarschaftsstreitigkeiten haben nach Stüvens Erfahrung die Tendenz, sich zu verselbstständigen und oft von den ursprünglichen Anlässen zu lösen. In extremen Fällen könnten derartige Konflikte sogar von einer Generation auf die nächste „vererbt“ werden. „Bei Beratungen hören wir immer wieder: Wie es angefangen hat, weiß ich auch nicht mehr. Aber mit den Leuten kann man nicht reden.“ Die Herausforderung sei dann, den Leuten Wege aus der Sackgasse zu zeigen und diese zumindest dazu zu bringen, wieder miteinander zu reden.
Eine gelungene Mediation setzt Einsichtsfähigkeit auf beiden Seiten voraus. Der gesamte Prozess beruht vom Ansatz her auf Freiwilligkeit, beide Seiten müssen bereit sein, sich an einen neutralen Vermittler zu wenden. Das setzt einen entsprechenden Leidensdruck bei allen Beteiligten voraus. Im Folgenden gehe es dann vor allem darum, allen Parteien deutlich zu machen, dass sie auch Kompromisse eingehen müssten, sagt Stüven.
Auch beim Mieterverein weiß man um diese Herausforderung. „Die Leute sind egoistischer geworden, das muss man klar sagen“, meint Eifler. Aber es sei im Rahmen eines Mediations-Verfahrens eben möglich, Verständnis für die Belange des jeweils anderen zu wecken und pragmatische Kompromisse zu finden, die das Konfliktpotenzial drastisch reduzierten.
Nicht immer geht es dabei um komplexe Arrangements, bisweilen hilft auch gesunder Menschenverstand. Eifler verweist auf das Beispiel eines Berufsmusikers, der regelmäßig üben muss. Warum gehe er nicht einfach zu seinen Nachbarn und frage, zu welchen Uhrzeiten dies am wenigstens störend sei? Dieser kleine, eigentlich alltägliche Vorgang könne bereits helfen, sagt sie. „Das ist auch schon eine Art von Mediation.“