: Feuer unterm Suppentopf
KNORKATOR IM VERDACHT
Sie können einfach nur wahnsinnig naiv sein, die Jungs der Berliner Gitarrengewitter-Band Knorkator. Das oder realitätsfremd. Oder geschichtsblind. Vielleicht auch alles zusammen.
Anders lässt sich nicht plausibel erklären, dass ihr neues Album diese Woche so erschien, wie es erschien. Und auch nicht, wie sie auf die Rassismusvorwürfe reagierten, die folgten. „We want Mohr“, heißt die Platte, beworben mit Plakaten und Flyern, auf denen vier nackte Weiße (die Band) in einem großen Suppentopf überm Feuer sitzen und vor einer Kannibalin zurückschrecken, die mit gezücktem Messer und Knochen im Haar auf sie zumarschiert. Wie man in der Kolonialzeit halt nun mal die eroberten Untermenschen in Afrika darstellte. Dazu kommt: Sie ist eine schwarz angemalte Weiße – der alten Theater- und Jahrmarkttradition des „Blackfacing“ folgend, in der Schwarze von Weißen dargestellt und stereotyp karikiert wurden.
Es ist eine rassistische Tradition, da gibt es kein Drumrumreden. Knorkator betonen, sie seien keine Rassisten, die Kritik finde man „oberflächlich und absurd“, man habe doch nichts Böses gewollt, etc. pp.
Ja, eben, genau das ist das Problem: Denn sie wissen nicht, was sie tun. Zugespitzt: Auch die Kolonialisten dachten, sie würden „den Wilden“ einen Gefallen tun – das mit der Absicht ist halt so eine Sache.
Als Argument verweisen Knorkator auf den guten alten Kontext: den „Struwwelpeter“. Für ihr neues Album haben sie drei der Geschichten in Songs umgewandelt: die von Konrad, dem die Daumen abgeschnitten werden, die vom fliegenden Robert und die vom bösen Friederich. Die von den drei „schwarzen Buben“, die den „kohlpechrabenschwarzen Mohr“ hänseln, auf die sich Posterillustration und Albumtitel beziehen, ist nicht dabei. Zitat: „Ihr Kinder, hört mir zu, / Und lasst den Mohren hübsch in Ruh’! / Was kann denn dieser Mohr dafür, / Dass er so weiß nicht ist wie ihr?“ Total antirassistisch, so die Band.
Ja, na ja. Aber das zeigen die Plakate nicht – sondern ein hirnamputiertes Klischee, das mindestens vorvorvorgestrig ist. Sie transportieren eine Idee, die unserer Zeit und des internationalen Berlin schlicht unwürdig ist. Das nicht zu bedenken ist eben: naiv. Und provinziell.
Wo wir gerade dabei sind: Sollen wir nicht endlich die Mohrenstraße umbenennen? „Möhrenstraße“ ist immer noch der beste Vorschlag. ANNE HAEMING