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Archiv-Artikel

Junkies warten auf Fixerstube

DROGEN Der Druckraum in Kreuzberg öffnet erst Ende des Jahres. Um die Lage am Kotti zu entschärfen, sollen Trinker und Junkies nun doch einen Treff auf der Mittelinsel kriegen

Das Haus

■  Die Reichenberger Straße 131 gehörte zur Gerhart-Hauptmann-Oberschule, die geschlossen wurde. Der Bezirk kam auf die Idee, den Druckraum dort unterzubringen. Die Drogenhilfe ist aber keine Aufgabe des Bezirks, sondern des Landes, erklärte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Der Bezirk will das Haus nun über den Liegenschaftsfonds unter der Bedingung verkaufen, dass es für die Suchthilfe verwendet wird. Am heutigen Freitag soll der Vertrag unterzeichnet werden. Käufer ist die gemeinnützige Gesellschaft „ZiK – Zuhause im Kiez“, die nebenan ein Wohnprojekt für Aidskranke leitet. Laut ZiK sollen Erdgeschoss und erster Stock an den Fixpunkt vermietet werden. (all)

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Anwohner und Junkies vom Kottbusser Tor in Kreuzberg müssen sich gedulden: Der neue Druckraum in der Reichenberger Straße öffnet später als geplant. Eigentlich sollten die Drogenabhängigen bereits in diesem Frühjahr in der Fixerstube ihren Schuss setzen können. Aufgrund schwieriger Vertragsverhandlungen beim Verkauf des Gebäudes habe sich die Sache aber verzögert, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) der taz. Jetzt stehen auch noch Bauarbeiten an. „Ich gehe davon aus, dass die Leute vom Fixpunkt Ende des Jahres einziehen können“, so Schulz. Fixpunkt ist der Verein, der den Druckraum betreiben soll.

Heftige Proteste hatten das Kottbusser Tor vor etwa anderthalb Jahren in die Schlagzeilen gebracht. Anwohner beschwerten sich lautstark: Zu viele Drogenabhängige, Dealer und Alkoholiker hielten sich dort auf, benutzte Spritzen gefährdeten die Kinder. Als dem damals noch bestehenden Druckraum in der Dresdner Straße vom Vermieter gekündigt wurde, spitzte sich die Situation weiter zu. Keiner wollte eine Fixerstube in unmittelbarer Nähe. Erst nach langem Suchen machte der Bezirk das Haus in der Reichenberger als Ausweichquartier ausfindig.

Solange es den neuen Druckraum nicht gibt, bleiben die Junkies auf der Straße. Zwar kommen die Mitarbeiter von Fixpunkt außer an den Kotti auch mit einem Drogenkonsum- und einem Präventionsmobil an den Moritzplatz. Doch dieses Angebot werde deutlich weniger in Anspruch genommen, berichtete Astrid Leicht, Projektleiterin von Fixpunkt. „Ein Teil der Szene hat sich an den Hermannplatz verlagert. Viele halten sich auch wieder am Kottbusser Tor auf.“

Den Anwohnern dort sind nicht nur die Junkies, sondern auch die Alkoholiker ein Dorn im Auge. In Trauben stehen sie um die Eingänge zum U-Bahnhof und vor Kaiser’s. Um die Situation zu entschärfen, plant der Bezirk, auf der Mittelinsel des Kreisverkehrs einen Treff einzurichten mit einem Kiosk, Sitzplätzen und einer öffentlichen Toilette. Auch Sozialarbeiter von Fixpunkt und dem Diakonischen Werk sollen vor Ort einen Container haben. „Damit hoffen wir, die Beeinträchtigungen im Eingangsbereich der U-Bahn zu minimieren“, sagte Schulz. 120.000 Euro koste die Einrichtung des Treffs, ein Förderantrag bei der Stadtentwicklungsverwaltung laufe.

Bereits zu Beginn der Anwohnerproteste war die Mittelinsel als Ausweichort im Gespräch. Und in der Kritik: Die Suchtkranken würden ausgegrenzt, so ein Gegenargument. Schulz sieht da kein Problem mehr. Es handle sich schließlich um eine freiwillige Sache. „Wir teilen den öffentlichen Raum sinnvoll auf. Alle sollen sich wohlfühlen.“

„Wir teilen den öffentlichen Raum sinnvoll auf“

BEZIRKSBÜRGERMEISTER FRANZ SCHULZ

Auch Astrid Leicht vom Fixpunkt begrüßt das Vorhaben. „Das kann zur Entspannung der verdichteten Situation beitragen.“ Sie hält es für wichtig, eine Anlaufstelle direkt am Kottbusser Tor zu haben. Die Sozialarbeiter könnten dort einen ersten Kontakt zu Konsumenten herstellen und sie auf den Druckraum in der Reichenberger Straße und auf die Diakonie-Beratungsstelle für Alkoholabhängige am Segitzdamm verweisen.

Manche Anwohner sind weniger begeistert. Das sei Augenwischerei, sagte Hasan Togrulca von der Bürgerinitiative für ein drogenfreies Kottbusser Tor. „Wir brauchen eine Einrichtung für Drogenabhängige, die rund um die Uhr geöffnet hat.“ Auf der Mittelinsel will Fixpunkt dreimal die Woche vor Ort sein. Der Druckraum in der Reichenberger wird an fünf Tagen jeweils vier oder fünf Stunden geöffnet haben. Togrulca ist das zu wenig. „Das Problem bleibt bestehen, es bekommt nur ein bisschen eine andere Form.“

Im Frühjahr 2011 soll der Treff am Kotti eröffnet werden, also kurz nach dem Druckraum. Je länger beides auf sich warten lässt, desto schwieriger wird es, die Stammgäste der alten Fixerstube in der Dresdner Straße auch für die neuen Anlaufstellen zu gewinnen. Astrid Leicht sagt: „Viele wohnen im Umfeld des Kotti und im nördlichen Neukölln. Deshalb hoffe ich, dass wir einen Großteil der Konsumenten trotz allem wieder erreichen werden.“