: Klatsche für den Vatikan
ARGENTINIEN Schwule und lesbische Paare erhalten in Argentinien die Möglichkeit zu heiraten – mit den gleichen Rechten wie Ehen unter Heteros. Adoption eingeschlossen
AUS BUENOS AIRES JÜRGEN VOGT
Über dem Kongress in Buenos Aires weht die Regenbogenfahne. Schwule und lesbische Paare können bald überall in Argentinien heiraten. Nach dem Abgeordnetenhaus stimmte in der Nacht zum Donnerstag auch eine Mehrheit im Senat für die Zulassung der Homo-Ehe. Damit wird Argentinien der erste Staat Lateinamerikas sein, in dem die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare im ganzen Land möglich ist.
Die Entscheidung im Senat fiel nach einer 14-stündigen Marathonsitzung mit 33 Ja-Stimmen. 27 Senatoren votierten dagegen, drei enthielten sich der Stimme. Dabei ging Zustimmung und Ablehnung quer durch die Sitzreihen von Regierungslager und Opposition. „Für Argentinien ist es zwar Fortschritt“, so Senator Adolfo Rodríguez Sáa. „Aber auf den Straßen wird es nun noch lange dauern, bis Hass und Verbitterung verheilt sind.“ Rodríguez Sáa selbst hatte den Sitzungssaal vor der Abstimmung verlassen.
Noch am Vorabend der Senatsentscheidung hatten mehrere zehntausend Menschen gegen das Gesetz demonstriert. Unter dem Motto „Die Kinder haben das Recht auf eine Mutter und einen Vater. Für eine Ehe zwischen Mann und Frau“ hatten sie sich bei Temperaturen wenig über null Grad vor dem Kongressgebäude versammelt. Ähnliche Kundgebungen wurden aus den Städten Mendoza, Córdoba, Salta, Rosario, Santiago del Estero und Bariloche gemeldet.
Doch auch unter den Befürwortern des Gesetzes finden sich Unterschiede bei der Zustimmung. So spricht sich nach den Umfragen zwar eine knappe Mehrheit der Bevölkerung für die Homo-Ehe aus, aber weitaus weniger hätten den gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Adoption eingeräumt, das sie demnächst – anders als etwa in Deutschland – haben werden. Denn im argentinischen Zivilgesetz gilt nach dem Parlamentsbeschluss künftig der Passus: „Die Ehe soll die gleichen Anforderungen und Auswirkungen haben, unabhängig davon, ob die Partner des gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts sind.“ Bislang waren Homo-Ehen in Argentinien nur in der Hauptstadt Buenos Aires und in einigen Provinzen möglich.
In anderen Ländern Lateinamerikas dürfen Homosexuelle nur in wenigen Städten und Provinzen wie der mexikanischen Hauptstadt und dem brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul heiraten. Eine Lebenspartnerschaft mit geregeltem Erb- und Rentenrecht dürfen gleichgeschlechtliche Paare seit 2008 in Uruguay eingehen.
Politisch ist die Entscheidung des Kongresses in Buenos Aires ein heftiger Schlag gegen die konservative Strömung in der katholischen Kirche weit über Argentinien hinaus. Selbst eigens eingeflogene Sonderberater des Opus Dei konnten die Niederlage nicht verhindern. An der Spitze der Gegner stand mit Jorge Bergoglio der Erzbischof von Buenos Aires. Bergoglio holte bei der letzten Papstwahl hinter Kardinal Ratzinger die zweitmeisten Stimmen. So hallt die Klatsche bis nach Rom.
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