: Heimat, süße Heimat
HONIG Lokal produzierte Imkerhonige schmecken köstlich. Sie sind im konventionellen Lebensmittelhandel kaum zu finden – aber im Internet
■ Den Heilehaus-Honig gibt es in der Waldemarstraße 36 im Heilehaus-Café, Montag bis Donnerstag ab 13 Uhr. Berliner Honig und Imkeradressen gibt es unter: www.berlinerhonig.de. Deutsche Imkerhonige und -adressen findet man bei: www.heimathonig.de. Beide Projekte suchen auch noch nach weiteren Imkern, mit denen sie kooperieren können.
■ Garten- und Balkonbesitzer, die den Berliner Bienen etwas Gutes tun wollen, können sich beim Deutschen Imkerbund über bienenfreundliche Bepflanzung informieren:
(PDF, 50 KB)■ Schwärme retten: Besonders im Frühsommer neigen Bienenvölker zum Schwärmen. Wenn Sie einen solchen Schwarm entdecken, rufen Sie einen Imker an. Etwa das Schwarmtelefon von Clemens Harder: (01 57) 73 42 38 47.
■ Selber imkern: Die meisten Imkervereine tun viel für den Imkernachwuchs. Man kann etwa für eine Saison zum „Imker auf Probe“ werden. Man erhält ein Bienenvolk und bekommt einen erfahrenen Imker zur Seite gestellt. Informationen erfragen Sie am besten beim Imkerverein in Ihrer Nähe. Die Berliner Vereine finden Sie hier: www.imkerverband-berlin.de (sm)
VON SIBYLLE MÜHLKE
Auf dem Kreuzberger Dach stehen drei große Kästen in der Sonne. Tritt man näher, hört man es summen, ein leichter Wachsgeruch liegt in der Luft – es sind Bienenstöcke. Sabine Wagner ist Stadtimkerin, seit fünf Jahren hält sie Bienenvölker oben auf dem „Heilehaus“ in der Waldemarstraße. Bienen in der Großstadt? Das ist weniger exotisch, als es scheint. In Berlin wird fleißig geimkert – auf Dächern, in Parks, auf Brachflächen und sogar am Rand von Friedhöfen. 560 Berliner Imker zählt der Deutsche Imkerbund, dazu kommen noch die Individualisten ohne Vereinsmitgliedschaft.
Den Bienen geht es gut in Berlin. Pestizide gibt es hier nicht. Manche Imker bringen ihre Völker sogar eigens zur Lindenblüte von weither nach Berlin. Schließlich gibt es hier rund 40 Lindenarten. Der Honig vom Großstadtimker schmeckt köstlich und ganz anders als die süße Ware aus dem Supermarktregal. Denn die konventionellen Lebensmittelhersteller wollen Produkte mit immer gleichem Geschmack und Aussehen erzeugen und mischen Honige verschiedener Herkunft einfach zusammen. Beim Imker jedoch kommt Trachtenhonig ins Glas, also das, was die Bienen saisonal in den Stock gebracht haben. Und die Blütenvielfalt, die in Berlin auf engstem Raum zu finden ist, spiegelt sich in den komplexen Aromen des Honigs wider.
Bei Sabine Wagner ist die erste Honigernte des Jahres gerade vorbei. Auf dem Dachboden des Heilehauses stapeln sich Gläser mit hellem, mildem Akazienhonig. Wohin damit? „Wir verkaufen unseren Honig unten im Café und haben keine Probleme, ihn loszuwerden“, sagt sie. Andernorts ist das schwieriger – für Imker und Honigliebhaber. Schließlich hat nicht jeder einen Imker in der Nachbarschaft, um sich mit hochwertigem Honig einzudecken. Und im konventionellen Lebensmittelhandel gibt es selten deutschen Honig und erst recht keinen Honig aus Berlin. Im Durchschnitt haben Berliner Imker fünf Bienenvölker, die rund 150 bis 200 Gläser Honig im Jahr produzieren. Das ist zu wenig, um mit einer Lebensmittelhandelskette zu kooperieren. Vertriebsstrukturen für kleinere Imker? Märkte oder ein Schild am Gartenzaun. Schon mancher Imker hat Imkerhut und Smoker entnervt an den Nagel gehängt, weil es so schwierig ist, den Honig zu akzeptablen Preisen loszuschlagen.
Das kann sich jetzt ändern. Die Berlinerin Annette Müller ist Honigenthusiastin. Und sie vermisste Möglichkeiten, an lokal produzierten Honig heranzukommen. Deshalb gründete sie Ende letzten Jahres „Berliner Honig“ als Vertriebsgemeinschaft und Label für Honig aus Berlin. Via Internet bringt sie Honigproduzenten und Honigliebhaber zusammen: Man kann den Berliner Honig online bestellen oder nachschlagen, wo es Verkaufsstellen in der Nachbarschaft gibt.
Intensiv im Geschmack
Die Vorteile für die Imker: Bei „Berliner Honig“ wird fair gehandelt, sie erhalten vernünftige Preise. Einen vergleichbaren Ansatz verfolgt Heike Helfenstein aus dem bayerischen Oberhaching. Auf ihrer „Heimathonig“-Website kann man Imkerhonige aus ganz Deutschland – nach Region und Qualität sortiert – bestellen und Imkeradressen suchen. „Heimathonig“ sieht sich vor allem als Marketingplattform für Imker und soll später einmal kostenpflichtig werden.
Das Konzept scheint zu funktionieren, die Vertriebslücke zwischen Imkern und Honigfans schließt sich: Einige der „Berliner Honig“-Imker haben sich gerade zusätzliche Bienenvölker angeschafft, weil sie wissen, dass sie den Honig jetzt gut verkaufen; „Heimathonig“ hat in kurzer Zeit etwa 100 Imker gewinnen können.
Und auch die Käufer profitieren – von der guten Honigqualität. „Lokal produzierter Honig ist ganz frisch, der schmeckt unglaublich intensiv“, sagt Annette Müller. Auch Imkerin und Heilpraktikerin Sabine Wagner weiß Gutes über lokale Honige zu sagen: „Wenn man täglich einen Löffel Honig aus der Nachbarschaft isst, kann das gegen Allergien helfen.“ Regional produzierter Honig ist noch in anderer Hinsicht den konventionellen Honigmixen überlegen: Er ist weniger belastet. Häufig ist Honig aus „Nicht-EG-Ländern“ Teil der Supermarktmischungen. Das kann bedeuten, dass Honige aus Südamerika oder Kanada dabei sind, die nicht selten Gen-Tech-Pollen enthalten oder dass die Bienen mit Antibiotika behandelt wurden. Und schließlich ist lokaler Honig aktive Heimatpflege. Wer Honig aus der Nachbarschaft isst, sorgt dafür, dass es dort weiterhin – und vielleicht bald sogar mehr – Bienen gibt.