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Archiv-Artikel

nebensachen aus madrid Ein kleiner Don Quijote steckt doch in allen SpanierInnen

Es muss ein Gen sein, das die SpanierInnen zu kleinen Don Quijotes werden lässt. Wie sonst ist dieser rebellische Geist zu erklären? Egal was schief geht im Leben, unverzüglich wird eine Demo, ein Sit-in oder sonst eine Protestaktion organisiert, auch wenn sie noch so aussichtslos scheint.

Einer der spektakulärsten Fälle ereignete sich kürzlich in Illescas, einem Dorf zwischen Madrid und Toledo. Ausgerechnet eine Beerdigung artete dort zum Protestmarsch aus. Der Bürgermeister hatte beschlossen, den alten Friedhof zu schließen und einen neuen vor den Toren des Ortes einzurichten. Vielen Bürgern wollte dies nicht einleuchten. Unterschriften wurden gesammelt, Transparente aufgehängt, die Gerichte angerufen. Vergebens. Doch aufgeben? Niemals!

Als die Großmutter eines der Verantwortlichen der Bürgerinitiative zum Erhalt des alten Friedhofs starb, wappneten sich die Trauergäste und zogen hinauf zum alten Gottesacker. Dort erwartete sie bereits die Polizei. Doch die Trauergemeinde ließ sich nicht abschrecken. Der Sarg wurde auf dem Dach eines Streifenwagens abgestellt, die Frauen stritten mit den Beamten, während die Männer ein Polizeiauto wegwuchteten und das Tor eintraten. Die Großmutter wurde in geweihter Erde begraben und der Leichenschmaus zur Siegesfeier der Bürgerinitiative.

Doch nicht nur auf dem Lande gibt es Don Quijotes. Manche tragen gar Aktenkoffer, Anzug und Krawatte. Wie die Gruppe leitender Angestellter, die während des Golfkriegs 1991 eine Rollbahn des Flughafens Barajas besetzten. Der Grund: Die Bomber der US-Armee starteten von der benachbarten US-Airbase Torrejón ohne Unterlass. Für zivile Flüge war immer weniger Platz im Luftraum, die Verspätungen wurden unerträglich. Die Herren im Anzug wollten eigentlich mit der Luftbrücke, einer Art Pendlerflug, nach Barcelona. Des Wartens müde, stürmten sie dass Rollfeld. „Wenn wir nicht fliegen können, fliegt hier keiner“, so ihr Motto. Das Räumkommando der Polizei sah das freilich anders.

Doch die schönsten Windmühlenkämpfe ficht einer allein aus. So ein Autokäufer aus Albacete, der mit seinem sauer verdienten Geld einen Mini erstand. „Erfüll dir einen Traum“, hieß der Werbeslogan für das Remake des wohl bekanntesten britischen Pkw. Nach drei Monaten wurde der Mini zum Alptraum. Eines Tages gab die Spezialausführung keinen Mucks mehr von sich. Die Vertragswerkstatt reparierte, aber bald tauchten neue Mängel auf. Nach kurzem Hin und Her war der Hersteller bereit den vollen Kaufpreis zurückzuerstatten. Das erschien unserem Autonarren „unwürdig“. Er wollte Ersatz – genau das gleiche Modell. Sein Kampf begann. Der damals 32-Jährige montierte ein Schild aufs Dach: „Dieses Auto ist eine absolute Scheiße!“ stand dort. Egal ob bei Großveranstaltungen, Autoausstellungen oder auf belebten Straßen, überall sorgte er für Aufsehen. Dazu dokumentierte der moderne Ritter seine Abenteuer unter www.miminimierda.com (mein Scheißmini).

Drei Jahre ging er dem Hersteller auf die Nerven. Dann rückte der endlich einen neuen Mini heraus. „Ich bin ein kleiner Mann. Aber ich habe einen multinationalen Konzern in die Knie gezwungen“, zeigt sich der neuzeitliche Don Quijote mit seinem neuen Gefährt zufrieden.

REINER WANDLER