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Archiv-Artikel

Fast ein Fehlstart für rot-grüne Minderheitsregierung

NRW SPD und Grüne kabbeln sich mit der Linken – ausgerechnet beim Thema Studiengebühren

DÜSSELDORF taz | Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen ist nur knapp an einem Fehlstart vorbeigeschrammt. Unmittelbar vor der Sommerpause hatten die beiden Parteien den Landtag öffentlichkeitswirksam beschließen lassen wollen, die Studiengebühren „schnellstmöglich abzuschaffen“. Doch das war der Linkspartei nicht schnell genug.

Es war ein erstes Kräftemessen. Der Streit drehte sich um ein Semester. SPD und Grüne wollen die von Schwarz-Gelb eingeführten Studiengebühren im Wintersemester 2011/2012 abschaffen. Ein früherer Zeitpunkt sei nicht möglich, weil sonst die Hochschulen keinen vollen finanziellen Ausgleich erhalten können. Das jedoch wollte die Linkspartei nicht einsehen. Die Parlamentsnewcomer, die einen eigenen Gesetzentwurf für die sofortige Abschaffung in den Landtag eingebracht haben, forderten als Kompromiss, dass sich Rot-Grün zu einer Vorverlegung auf das Sommersemester bereit erklärt.

Doch alle Versuche einer Einigung scheiterten. Nachdem die Linkspartei daraufhin angekündigt hatte, gegen die rot-grüne Vorlage zu stimmen, verzichteten SPD und Grüne unter dem Hohngelächter von CDU und FDP am späten Donnerstagnachmittag auf die Abstimmung ihres Antrags, um die voraussehbare Schlappe zu vermeiden. Wie auch der Gesetzentwurf der Linkspartei wurde er an die Fachausschüsse überwiesen.

Andere Anliegen der rot-grünen Minderheitsregierung gingen hingegen reibungslos über die Bühne. So brachten SPD und Grüne zahlreiche Gesetzentwürfe zur ersten Lesung ein, mit denen aus ihrer Sicht falsche Entscheidungen der abgewählten schwarz-gelben Regierung korrigiert werden sollen. So wollen sie den Kommunen wieder mehr wirtschaftlichen Handlungsspielraum einräumen und Einschränkungen der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zurücknehmen. Auch soll das umstrittene Kinderbildungsgesetz radikal reformiert, die Kopfnoten und die verbindlichen Grundschulempfehlungen sollen abgeschafft werden. Alle diese Vorhaben werden auch von der Linkspartei unterstützt.

Weniger erfreut zeigten sich hingegen CDU und FDP. Der CDU-Abgeordnete Klaus Kaiser sprach von einem „Tribunal über die ehemalige Landesregierung“. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke warf Rot-Grün eine Schulpolitik vor, wie es sie in der DDR gegeben hätte: „Das ist nichts anderes als ein Fünfjahresplan zur Zerstörung der Bildungsvielfalt.“

Empörung löste in der FDP auch ein Interview mit der Grünen Sylvia Löhrmann in der taz vom Donnerstag aus. „Innerhalb des demokratischen Spektrums ist die Linke das staatsfixierte Extrem, die FDP das entgegengesetzte“, hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin gesagt. In der Landtagsdebatte am Freitag zitierte ihr FDP-Vorgänger Andreas Pinkwart aufgebracht diesen Satz. „Ich erwarte eine Entschuldigung der Landesregierung“, forderte er. Vergeblich. „Frau Löhrmann hat in keinster Weise eine hier im Haus vertretene Partei als extremistisch bezeichnet“, wies der neue Innenminister Ralf Jäger (SPD) das Ansinnen zurück. PASCAL BEUCKER