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Archiv-Artikel

DEUTSCHE DENKEN, OHNE LATTENROST STINKT DIE MATRATZE. MEINETWEGEN. DANN SOLL IHN AUCH EIN DEUTSCHER JUNGE ZUSAMMENBAUEN Reparier mir den Rost!

JACINTA NANDI

Ein deutscher Junge kommt morgen vorbei, um meinen Lattenrost zu reparieren“, sage ich einer britischen Bekannten, die erst im Sommer nach Neukölln gezogen ist. Sie guckt mich verständnislos an. „Was wird er machen?“, fragt sie. „Na ja“, sage ich. „Zuerst guckt er sich meinen Lattenrost an, dann wird er meine Lattenrostsituation erkennen und am Ende wird er den Lattenrost reparieren. Hoffentlich.“

„Dein was?“, fragt sie. „Meinen Lattenrost!“, sage ich. „Was ist das?“, flüstert sie. „Ach“, sage ich. Inzwischen fast 14 Jahre Deutschlandaufenthalt haben mir eine echte Indifferenz oder sogar Toleranz zum Thema Lattenrost geschenkt.

„Das ist so ein Ding“, erkläre ich, „das man kaufen muss, in Deutschland, wenn man ein Bett kauft. Man geht in den Bettenladen, kauft das Bett und die Matratze und dann, beim Zusammenbauen – ich meine damit, beim Zugucken –, stellt man fest, dass man den Lattenrost vergessen hat. Dann geht man zurück und kauft sich einen Lattenrost für ungefähr 70 Euro. Dann kann der Junge, der das Bett zusammengebaut hat, auch den Lattenrost zusammenbauen – allerdings ist es oft sinnvoll, diese Aufgaben aufzuteilen, und einen neuen deutschen Jungen zu finden, der den Lattenrost zusammenbaut, sonst werden die deutschen Jungs manchmal müde und fangen an, dir zu zeigen, wie man Sachen zusammenbaut.“

„Lattenrost!“, sagte meine Freundin. „Das hört sich so schmutzig an! ‚Er hat mir meinen Lattenrost repariert!‘ Das klingt echt nach einem Euphemismus fürs Ficken. ‚Kannst du vorbeikommen, mein Lattenrost muss repariert werden?‘“ Ich zeige ihr bei Google Lattenrostbilder. Sie seufzt neugierig und zufrieden.

„Und warum haben die deutschen Betten immer diese Lattenroste?“, fragt sie mich. „Ich habe das mal einen deutschen Jungen, der mir mit einer Lattenrostsituation half, gefragt“, sage ich. „Angeblich denken deutsche Leute, dass normale britische Betten feucht werden und stinken. Aber ich denke, sie wollen sich einfach bestrafen, weil sie den Krieg verloren haben und na ja, das mit den Juden gemacht haben. Sie haben Angst davor, dass das Leben zu einfach sein könnte.“

„Und ist es gar nicht möglich, dass du deinen Lattenrost alleine zusammenbaust oder reparierst oder so?“, fragt sie. Ich gucke sie entsetzt an. „Nein!“, rufe ich, super entsetzt. „Das ist überhaupt nicht möglich! Meinst du das jetzt aus feministischen Gründen?“ „Ja“, sagt sie. „Also, so ein bisschen. Aber wäre es nicht praktischer, wenn du das alleine hinkriegen würdest?“

„Ich würde das nie alleine hinkriegen“, sage ich. „Das ist so kompliziert, es gibt Schrauben und alles. Und wegen des Feminismus habe ich kein schlechtes Gewissen. Erst wenn es keine Vergewaltigungen mehr gibt und alle Alleinerziehenden keine Miete mehr zahlen müssen und es viele, viele ältere Frauen im Fernsehen gibt, dann werde ich es mir überlegen, vielleicht, ein paar Sekunden lang, vielleicht, meinen Lattenrost doch selbst zu reparieren.“

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag David Denk Fernsehen

Montag Josef Winkler Wortklauberei

Dienstag Deniz Yücel Besser

„Ja“, sagt sie.

„Und dann werde ich mich dagegen entscheiden“, sage ich.